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NEWS: The Monument Men

Simon Krätschmer und Etienne Gardé zu Gast bei Youtuber David Hain

Vor mehr als zehn Jahren, als mein Sohn begann, den Bauch meiner Frau zu wölben und unsere Mobilität einzuschränken, fing uns beim Zappen durch die hinteren Kanäle etwas dauerhaft ein. Eine witzige, kumpelige Truppe machte dort aus dem zweitschönsten Zeitvertreib der Welt, dem Gaming, eine Sendung. Das damals, vor den Zeiten Youtubes, revolutionäre TV-Format auf NBC nannte sich „Giga Games“. Abends, nach dem nicht der Rede werten Gossip-Smalltalk-Lifestyle-Gedöns, das im Hauptprogramm des Senders unter dem Label „Giga Green“ wertvolle Sendezeit verbrannte, versammelte sich die Gamer-Nation zunehmend vor den Fernsehern. Bei „Giga Games“ ließen sie sich in Viertelstundenblöcken über Videospiele auf PCs, Konsolen und Handhelds informieren.



Drei Urgesteine der kreativen Berichterstattung über Games plauderten sehr offen in einem Gipfeltreffen. (Interview / Kanal BeHind via Youtube)

Doch verfolgte man die Sendung nicht nur wegen der Informationen, sondern vor allem wegen des Moderatorenteams, denn für tiefschürfendes Wissen reichten die knappen Blöcke oft nicht aus. Die Sendung lebte davon, dass zwischen repetitiven Werbeblöcken charmant plaudernd Themen angerissen wurden. Zwei von jenen Moderatoren – in der Gigawelt auch Hosts genannt – fanden sich im Februar beim Youtube-Kanal ->BeHaind von David Hain zu einer Gesprächsrunde ein, um mit ihm über die letzten zehn Jahre zu sprechen. ->Simon Krätschmer, genannt Bimon, und ->Etienne „Eddie“ Gardé, die heute neben anderen Urgesteinen von Giga Games zum erfolgreichsten deutschen TV-Format zu Videospielen namens ->GameOne gehören, trafen mit Hain auf einen der Beteiligten am recht erfolglos versandeten Relaunch von Giga als WebTV und Gamingportal.

Hier tauschen sich also drei Monumente der Gamesbranche offen und durchaus kritisch über der Vergangenheit der journalistischen Arbeit, das Berufsfeld, TV-Formate, den digital Divide in der Branche und Videospiele aus. Damit ist dieses Gespräch auf so vielen, auch wissenschaftlichen Ebenen interessant und lehrreich, dass ich die halbe Stunde hier ausdrücklich jedem empfehlen muss, der sich für Games und ihre Historie nur ansatzweise interessiert.

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DGBL: Subtext, Stanley! Subtext!

In „The Stanley Parable“ gehts um Vieles, am Rande aber nur um Stanley

Tagein, tagaus sitzt Stanley in seinem Büro. Er drückt Knöpfe. Warum, weiß er nicht. Welche, sagt ihm der Computer. Und er ist dabei glücklich. Erst als niemand sonst mehr im Gebäude ist, passt auch ihm das nicht. Viel gravierender erscheint ihm aber, dass ihn nun der Computer auch nicht mehr auffordert, irgendwelche Tasten zu drücken. Stanley steht also auf und verlässt sein Büro.

Stanley spricht nicht, teilt uns nicht mit, was er will und warum er etwas tut. Alles, was der Spieler ihn machen lässt, alles, was er sagen könnte, kommentiert ein Erzähler, der hervorragend gewählt ist. Von seiner Ausdrucksstärke lebt das gesamte Spiel. Denn im Grunde handelt es sich ja bei der Independent-Perle ->The Stanley Parable von ->Galactic Cafe nur um das Spiel mit Stanleys Versuchen, einen Ausweg aus dem Gebäude zu finden.


Abb: Stanley folgt den Anweisungen des Computers - bis keine mehr kommen (Collage Offizieller Screenshot/Schriftzug)
Abb: Stanley folgt den Anweisungen des Computers - bis keine mehr kommen (Collage Offizieller Screenshot/Schriftzug)

Der Erzähler kommentiert jedoch nicht nur, sondern reagiert auf die Handlungen und Weigerungen des Spielers, versucht ihn zu beeinflussen, manchmal sogar zu täuschen. Dabei wird er unterwürfig, weinerlich, zuweilen wütend, hinterhältig, manchmal betreibt er sogar aktiv Stanleys Ableben. Überhaupt ist hier der Erzähler der Star. Er hält alle Zügel in der Hand, je nachdem, wie der Spieler Stanley entscheiden lässt. Er hat sogar die Macht, vorherige Erfahrungen umzustoßen, beklagt sich über das repititive Skript und behauptet, Stanley aus dessen Vorgaben rauszuhelfen.

Sogar über die vermeintlichen Enden des Spiels hinaus, geht er auf Neustarts durch den Spieler ein. Die Krönung erfährt dieses narrative Konzept, als der Haupterzähler plötzlich durch eine Frauenstimme ersetzt wird, welche nun in einer weiteren Ebene die Erzählung des Erzählers kommentiert. Wenn der Spieler an einer Stelle versucht, dem eigentlichen Spiel zu entkommen, gelangt er in eine schweigende Erzählebene: Es eröffnet sich ein Museumstrakt, indem der Entwicklungsprozess dokumentiert wird. Dies ist der einzige Ort, in dem der Erzähler nicht fortlaufend spricht. Dort kann er es ja auch nicht, denn er ist selbst Teil des Spiels, das da dokumentiert wird.



Nach der eigentlichen Erfahrung ist tief zu bohren. (Offizieller Trailer / Quelle: Youtube, GSTrailers)

All diese Kniffe machen ->The Stanley Parable zu einem Juwel, das jeder gespielt haben sollte, den Experimente mit Erzählungen reizen. Nicht jeder wird dabei alle Ebenen des Spieles auf Anhieb verstehen. Meiner Ansicht nach erkennt man dies auch an der Berichterstattung der meisten Magazine und Webseiten zu Videospielen. Unter dem Deckmantel, man wolle dem Spieler seine eigenständigen Erfahrungen nicht nehmen, tarnen viele scheinbar nur, dass sie es nicht verstanden haben. Ähnliches geschah jüngst schon bei den Reviews von ->From Esther (siehe ->INNOVATION: Esthers animierte Parabel, in: KEIMLING, 3.8.2012) Und das Spiel wäre keine Parabel, schlummert noch jenseits der Erzählebene einiges unter der Oberfläche dieses Spiels…

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