Zehn Jahre wurde ‚Keimling‘ 2019 alt – vor lauter Arbeit übersah ich das ein halbes Jahr lang
Um es gleich vorneweg zu schreiben: Dieses Blog ist mir immer noch wichtig. Zurecht fragte mich manch eine(r) nach neuen Beiträgen. Leider gelang mir schon länger nicht mehr, den Anspruch des monatlichen Rhythmus aufrecht zu erhalten. Die gesunkene Frequenz liegt jedoch nicht an einem Mangel an Ideen oder dem Bedürfnis, sie niederzuschreiben: Zahlreiche Beiträge zu verschiedenen Anlässen und Spielen liegen fast fertig im Redaktionssystem. Um sie aber für eine Veröffentlichung fertig zu stellen, läuft mir stets die Zeit davon. Zur Krönung meiner Arbeitslast entging mir sogar völlig, dass ‚Keimling‘ im vergangenen Jahr den zehnten Geburtstag feierte.
Die Umstände erlaubten es einfach nicht, meine Beiträge fertig zu stellen. Meine Dissertation zu publizieren, erwies sich als sehr viel umständlicher als erwartet. Parallel freuten mich zwar Anfragen, mit geschichtswissenschaftlichen und allgemeinbildenden Artikeln zum Diskurs über Computerspiele beizutragen, sie kosteten jedoch auch Zeit. Da sie in der Regel finanziell nichts bringen, erhöhten sie zudem den wirtschaftlichen Druck, anderweitig Einkünfte zu erzielen. Obendrein endete meine langjährige Tätigkeit in der Hamburger Public History. Noch immer erfüllt mich mit großem Bedauern, dass wir die begonnenen Reformen nicht fortsetzen konnten. Im September bedeutete dies das Ende für alle meine Bemühungen rund um das GameLab und die Ludothek. Eine herbe fachliche und persönliche Niederlage. Im Oktober 2019 eröffnete sich jedoch eine neue Chance. Ich starte nun mit der Public History an der Leibniz Universität Hannover von Grunde auf neu. Dieses satte Programm hat mich gerade in der zweiten Jahreshälfte gut ausgelastet … und von neuen Beiträgen abgehalten.
Dennoch hat dieses Blog nach wie vor wichtige Funktionen für mich – und hoffentlich weiterhin für die Geschichtswissenschaft. Es bietet Raum für schriftliche Formen, die in akademische Beitragsformate sonst nicht passen. Selbst wenn immer wieder Dinge dazwischen kommen, arbeite ich mir daher nach und nach genügend Zeit für Keimling frei. Manche der Juwelen aus vergangenen Jahren müssen zudem hervorgeholt werden, um sie einmal gründlich aufzupolieren. Somit habe ich einen Plan für dieses Blog, der mich locker die nächsten zehn Jahre ausfüllen wird…
Überdruckventil
In die Blogosphäre tastete ich mich ab 2009 vor. Damals rieten mir Kollegen noch davon ab, über digitale Spiele zu schreiben. Ich würde damit meine Reputation untergraben. Nun, im Nachhinein betrachtet, war es gut, dass ich stur blieb. Auch wenn den Aspekt der Reputation natürlich andere beurteilen müssen. In der Regel publizierte ich über weite Strecken wenigstens einen Beitrag im Monat. Ich verfasste kurzen News und Einzelrezensionen, beschäftigte mich mit spielekulturellen Phänomenen in umfangreichen Kommentaren, sogar Artikel-Serien, und ordnete erinnerungskulturelle Aspekte in multimedialen Sammelrezensionen ein. Angesichts der hohen Zahl an kurzlebigen Blogs, nicht nur in der Geschichtswissenschaft, machen mich die zehn Jahre bereits zu einem Methusalem unter Bloggerinnen und Bloggern. Und so bietet das Blog mittlerweile fast 200 Beiträge zu den verschiedensten Aspekten um Geschichte und digitale Spiele.
In vielerlei Hinsicht stellt dieses Blog ein Überdruckventil für mich dar: Ich suchte Ausgleich zwischen Studierenden, die begeistert, aber einsam und methodisch undurchdacht, digitale Spiele behandelten, und Forschenden, die dem Gegenstand skeptisch beäugten. Weil die jeweiligen Bedürfnisse des Mediums ohne einander nicht begreiflich werden, vermittelte ich interdisziplinär zwischen Geschichtswissenschaft, Didaktik, Journalismus und der Games-Branche. Nicht zuletzt wurde das Blog auch zu einem Ventil für meine Doktorarbeit. Ende 2019 ist sie nun endlich erschienen und führt die Fäden der zehn Jahre zusammen. Umfangreich diskutierte ich im Blog geschichtswissenschaftliche Detailaspekte oder besprach Beispiele von digitalen Spiele, die in dem dicken Ziegel nun nicht auch noch Platz gefunden hätten. Ich lagerte diese Detailfragen sozusagen in ein „extended memory“ aus. Insofern macht dies deutlich, dass dieses Blog auf jeden Fall weitergehen muss. Schließlich baut die universitäre Arbeit genügend Druck auf, dass Forschende und Lehrende ein Ventila ganz gut gebrauchen können.
Neben neuen Beiträgen werde ich daher versuchen, ältere Artikel aufzufrischen. Insbesondere Videos verschwanden in der Zwischenzeit in den digitalen Orkus, manche Links zu Dritten sind nicht mehr aktuell oder führen ins Nichts. Um alte Verlinkungen zu meinen eigenen Beiträgen nicht zu zerbrechen, werde ich die Originale überarbeiten und die aufgefrischten Versionen als Reposts neu veröffentlichen.
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Ein Gedanke zu „IN EIGENER SACHE: Zehneinhalb – und ein wenig weiser“