Unter Protest verlässt die Gamestar die Jurys des Deutschen Computerspielpreises
Die Vereinten Nationen sind eine klasse Sache. Hunderte Vertreter von Staaten diskutieren und verhandeln Streitereien, anstatt untereinander mit Panzern die Grenzen unsicher zu machen. Räte und Kommitees einigen sich auf Verfahrensregeln, um die besten Lösungen für politische Probleme zu finden, Resolutionen zu beschließen, weltweite soziale Fragen anzupacken oder kulturelle Orte zu ehren. Eine wirklich feine Sache.
Nun, bis wirklich ernste Probleme auftreten jedenfalls, bei denen Sicherheitsinteressen der großen Weltmächte berührt sind. Dann sitzen diese nämlich im Sicherheitsrat zusammen und beratschlagen über die Köpfe aller anderen hinweg, was denn zu tun sei. Besonders problematisch ist diese Sondertruppe dann, wenn eine Sicherheitsmacht das Gefühl hat, es solle in ihrem eigenen Vorgarten gekehrt werden. Dann mögen sich alle anderen so einig sein, wie sie auch immer wollen, dieses Land kann mit sturem Veto jede Maßnahme bequem verhindern. Gerade jüngst wurde diese Fehlkonstruktion wieder in der Ukraine-Krise deutlich; von Syrien ganz zu schweigen.
Erstaunlich viel hat diese perfide Organisationsstruktur neuerdings mit dem ->Deutschen Computerspielpreis (DCP) zu tun, nachdem die Jurys – wohl nach dem Geschmack besonders konservativer Kräfte in der Politik – in der Vergangenheit viel zu unabhängige Entscheidungen trafen. Eine befremdliche Vetokonstruktion wurde daraufhin dem Preis in die Satzung geschrieben, welche die Sinnhaftigkeit der gesamten Veranstaltung infrage stellt. Zwei bekannte Journalisten der ->Gamestar, des deutschen Flaggschiffs für Spieleberichterstattung, haben aus diesem Grund ihre Jurytätigkeit niedergelegt. Und das nur wenige Tage vor der Verleihung des DCP2014 am 15. Mai 2014. Diese Entscheidung machten sie in einem ausführlichen Videostatement öffentlich.
Obwohl der DCP zum ersten Mal erst 2009 aufgelegt wurde, hat er bereits mehrmals veritable Skandale produziert. Mittlerweile wirft die Skandalserie die Frage auf, ob die innere institutionelle Struktur der Veranstaltung nicht eher ihrem Zweck abträglich ist. In meinen Augen haben ->dieses Jahr die Gewinner zwar ihre Trophäe in der Tat alle sehr verdient. Besonders gefreut hat mich, dass die Kollegen des ->Games-Master an der ->Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg auch dieses Jahr wieder einen Preisträger hervorbrachten: ->Scherbenwerk – Ein Bruchteil einer Ewigkeit beerbt damit das letztjährige Gewinnerprojekt in der Nachwuchskategorie mit dem Namen ->GroundPlay.
Das ändert jedoch nichts daran, dass es prinzipiell hochproblematisch ist, was sich dort beim Videospielepreis zwischen progressiven Förderern und restaurativen Bremsklötzen zusammenbraut. Für Videospiele an sich, für die Branche und die Politik, aber vor allem für die Wertigkeit von digitalen Spielen als wichtige Kulturprodukte in Deutschland ist dieser eigentlich überwunden geglaubte Weltenkampf sehr bedenklich…
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