Überraschend macht eine Neuerung ‚Civilization VI‘ zum besten Reihenableger – trotz einer trotteligen KI
(PC (getestet) | OS X | Linux )
Die englische Königin verbreitet zum wiederholten Male Lügen über mich. Ist das zu fassen? Kaum ein Jahrhundert ist es her, dass ich ihr eine Lektion erteilte. Da durchbrachen meine Ritter mit aller Wucht die Verteidigungen an englischen Städten, nachdem Ihro Hoheit mit anderen Reichen eine Invasion einleitete – von allen Seiten. Dieses Mal entsende ich Panzer, sprenge mit der Artillerie Löcher in die englische Versorgung und lasse meine neuen Flugzeuge erste Angriffe fliegen. Meinem Vormarsch ist nichts entgegenzusetzen, also sollte ich mich freuen. Tue ich aber nicht, denn mich ärgern solch unsinnige Kriege. Dieser Waffengang lässt zwar im Spiel nur Zahlen schrumpfen, doch stehen sie für die sterbende englische Bevölkerung. Schon nach kurzer Zeit verlassen meine Einheiten das Nachbarland, und sichern nur noch die Grenzen, um einen Frieden auszuhandeln.
Eigentlich wollte ich dieses Mal absichtlich aggressiv spielen. Um die militärische Variante von ->Civilization VI zu testen – gerade entgegen meines bevorzugten Spielstils – baute ich eine leistungsfähige Wirtschaft auf, kräftige Produktion und wehrhafte Stützpunkte. Doch, so sehr ich mich auch bemühte, ständig fiel ich schon nach kurzen Gefechten in meine friedlichen Grundmuster zurück. Als Eroberer mache ich wohl keine gute Figur. Während andere sich fröhlich mit Atombomben bewerfen, scheue ich den Verlust an virtuellem Leben, die Zerstörung oder gar Verseuchung der Umgebung und die maßlose Verschwendung von Wohlstand.
Es waren schon immer ganz andere Aspekte als die Kriegerischen, die mich an der Reihe faszinieren. Kämpfe langweilen mich in der Regel eher. Sie halten mich nur von meinen eigentlichen Plänen für den Aufbau ab. Es liegt nicht daran, dass ich nicht auch anders könnte; etwa in der artverwandten Rundenstrategie von ->XCom: Enemy Unknown liebe ich die Herausforderung taktischer Rundengefechte sehr. Nur dreht sich für mich die Zivilisationsgeschichte eben um andere Paradigmen als kriegerische. Dabei gehe ich sicher nicht weniger expansionistisch vor, aber meist friedlich, vertraglich, mit Handel, wissenschaftlich stark und kulturell strahlend – diese Faktoren erscheinen mir als die eigentlichen treibenden Kräfte der menschlichen Geschichte. Irgendwie prägen sie dadurch meine Spielweise. Alles Andere erscheint mir als archaischer Rückfall.
Ein neues Konzept von ->Civilization VI unterstützt mich stärker denn je in meiner Spielweise. Das 2016 erschienene Strategiespektakel ist schon der sechste Haupttitel in der altehrwürdigen Reihe des Entwicklers ->Firaxis Games. Die runderneuerte Spielmechanik lenkt mich immer wieder – selbst in mutwilliger Zerstörungsabsicht – auf konstruktive Bahnen. Das liegt entscheidend an der neuen Relevanz des städtischen Umlands für alle Spielweisen. Nachvollziehbar beeinflussen sich die Landschaften mit der dortigen Infrastruktur, mit Gebäuden und zivilisatorischen Wundern – und alle gleichzeitig mit- und untereinander. Diese Gebietsreform macht ->Civilization VI aus historischer Sicht zu einem der besten, wenn nicht dem besten Teil der Reihe.
->Civilization VI gelang damit ein großer Wurf, den nach 25 Jahren kaum jemand noch von der routinierten Reihe erwartet hatte. Und es gibt noch mehr Faszinierendes zu entdecken. Allerdings auch Problematisches… und das ist nicht allein die Erfindung der Künstlichen Unintelligenz.