Schlagwort-Archive: Gefechte

RETRO: Im Schlamm der Geschichte

Company of Heroes inszeniert eine Geschichte der alliierten Landung im Zweiten Weltkrieg

Was ist das Erste, das im Krieg flöten geht? Die Wahrheit, glaubt man einem bekannten Bonmot. Was ist spätestens das Zweite? Die Übersicht, natürlich. Ob nun in römischen Feldschlachten, Napoleons Feldzügen oder dem Kampf um Verdun: fällt der erste Schuss, ist die Befehlskette nur noch bloße Illusion. Auch am 6. Juni 1944, als die Landungsoperation Overlord der alliierten Truppen gegen die Wehrmacht in der Normandie begann, endeten geordnete Pläne und klare Befehlsstrukturen in dem Moment, als sich die Ladeluken an den schwankenden Landungsschiffen öffneten. Binnen weniger Minuten waren hunderte Leben ausgelöscht, zahlreiche Fahrzeuge vernichtet, und das Wasser vermengte sich mit Strömen aus Blut und Diesel. An Funksprüche war da nicht zu denken, direkte Worte verhallten im Lärm der Geschütze und Gewehrsalven sowie unter dem Geschrei der Sterbenden. Nach erbitterten Gefechten war schließlich die erste Bunkerlinie gestürmt… und an neue Befehle war überhaupt erst wieder zu denken.

Eben dies ist lediglich die einleitende Mission in den Strategieklassiker ->Company of Heroes, den der kanadische Entwickler ->Relic 2006 veröffentlichte. Das damals ebenso innovative wie heute noch fesselnde Strategiespiel in Echtzeit war am Markt sehr erfolgreich. Der Spielverlauf folgt der Geschichte der Fox und der Able Company, die während und nach der Landung in Nordfrankreich an alliierten Operationen beteiligt waren. Das Spiel endet mit dem Sieg über die deutschen Truppen im Kessel von Falaise, südlich von Caen, im August 1944.

httpvh://youtu.be/SlTIn9AZfqg
Mit einer aus vielen Filmen bekannten Eröffnungssequenz leitet auch Company of Heroes den Ansturm auf die Normandie ein. (Company of Heroes – Campaign Intro / Kanal Atranox via Youtube)

Abgesehen von frischen Ideen für das Gameplay im Strategiegenre, etablierte ->Company of Heroes 2006 auch einen neuen Umgang mit Geschichte in digitalen Spielen im Allgemeinen und mit der des Zweiten Weltkriegs im Speziellen. Dies liegt vor allem an narrativen wie spielerischen Perspektiven und den damit verbundenen Mechanismen, aus denen das Spiel Authentizität zu erzeugen versucht. Insbesondere ist es die in Strategiespielen notwendig hohe Übersicht des kommandierenden Spielers über das Schlachtgeschehen, die im Kontrast zum oben einleitenden Absatz dieses Artikels steht.

Neben dem Datum der Landung, das sich heute zum siebzigsten Mal jährt, steht das Spiel gegenwärtig zusätzlich in einem weiteren für Historiker spannenden Fokus. Wer das Spiel noch aus älteren Tagen besitzt, wird sich beim Versuch einer Neuinstallation wundern: Es ist in früheren Versionen nicht mehr lauffähig. Infolge der Übernahme des Entwicklers 2013 durch ->SEGA, nachdem der ursprüngliche Publisher ->THQ im Jahr 2012 insolvent wurde, wurden die Server der Originalversion von ->Company of Heroes abgeschaltet. Alles Patchen half da nichts, die Software ließ sich aufgrund einer Vielzahl von Fehlermeldungen nicht mehr zum Laufen bringen. Die Recherche im Web ergab, dass sich mit dem Service ->Steam von ->Valve eine Alternativlösung gefunden hat, die ->Company of Heroes wieder in Funktion versetzt. Nicht aber so, wie zuvor.

Damit allerdings hat sich das Problem der Spielbarkeit nur verschoben, bis ->Steam den Titel nicht mehr unterstützt oder vielleicht sogar selbst irgendwann das Zeitliche segnet. Das Beispiel dieses Meilensteins der Strategietitel zeigt daher eindringlich, dass sich die historische Fachwissenschaft nicht nur auf der Ebene des Gameplays und der Narration mit digitalen Spielen befassen sollte, sondern auch wegen der Problematik ihrer Bewahrung…

RETRO: Im Schlamm der Geschichte weiterlesen

RETRO: Ähhh! Ich muss weg!

Mirror’s Edge ist eigentlich ein innovatives Meisterstück, verrät sich letztlich jedoch selbst


Flink, wendig und tough - mit ein wenig Anlauf ist Faith schwer zu schlagen
Flink, wendig und tough - mit ein wenig Anlauf ist Faith schwer zu schlagen

Mit schwerem Atem hechtet die junge Frau über einen elektrischen Sicherheitszaun, duckt sich unter einem Rohr weg, rutscht über den betonierten Boden des Flachdaches und nutzt den Schwung, um sich in der gleichen Bewegung wieder aufzurichten. Sie federt über einen Müllhaufen auf einen Lüftungsschacht und drückt sich mit gehöriger Sprungkraft vom Boden fort. Unter ihr klafft ein Abgrund von mindestens zwanzig, gefühlten dreißig Stockwerken, während man den Eindruck gewinnen muss, ihr Flug führt höchstens zu einem unansehnlichen Fleck auf dem Asphalt.

Doch mit einem schmerzhaften Stöhnen gelingt es ihr, ein Rohr auf der gegenüberliegenden Hauswand zu greifen. Nach einigen lebensmüden Aktionen über Gerüste, Klimaanlagen und weiterer Rohre, hängt sie schließlich mit einem Stöhnen unter dem Kraftaufwand nur knapp an der Dachkante des Gebäudes. Ächzend zieht sie sich hinauf, als die Rotorblätter eines Hubschraubers donnernd hinter einer Hauswand aufsteigen – im drunter hängenden Helikopter machen sich schwer bewaffnete Sonderpolizisten zum Ausschwärmen bereit. „Beeil Dich Faith, was hast Du nur getan, dass die so schießwütig sind“, bellt eine Stimme aus dem kleinen Knopf im Ohr bei der jungen Frau.

Faith fehlt der Atem für eine Antwort, denn die Kugeln des Bord-MGs schlagen bereits in die Lüftungsschächte neben ihr. Nur nicht Stehenbleiben! Fehlt der Schwung aus dem Lauf, werden Abgründe zu weit und Wände zu hoch. Hektisch sucht ihr Blick den nächsten Pfad, um sich weiter ihrem Ziel zu nähern, wo sie den schwarz-gelben Koffer auf ihrem Rücken abliefern muss. Er enthält Informationen, Geheimnisse, einige der letzten vermutlich, die das glänzende Großstadtparadies noch nicht in seinen subtilen Überwachungapparat aufgesogen hat.


Schwerkraftgesetze waren gestern, wie Faith beweist

Wer hätte gedacht, dass Wegrennen zum Spielinhalt taugt. Die Story von ->Mirror’s Edge jedenfalls fesselt nicht sehr, ist überschaubar erzählt, rudimentär, und hätte viel mehr Potential gehabt. ->DICE hätte dem Spiel mehr zugestehen können. Faith ist eine Runnerin, also eine derjenigen, die unter dem Radar des Überwachungsstaates in einer glitzernden, sterilen, auf Hochglanz polierten Stadt die letzten Übertragung sensibler Daten sichern, in denen der informationsgierige Staat noch nicht herumschnüffelt. Der Spieler lenkt Faith durch immer komplexere Gewirre aus Versorgungsleitungen, Generatoren und Klimaanlagen, verfolgt von Sicherheitskräften und in einem so hohen Spieltempo, das der Atem stockt. Mirror’s Edge hätte ein Meisterwerk werden können, verrät seine innovativen Prinzipien jedoch im Spielverlauf…

RETRO: Ähhh! Ich muss weg! weiterlesen