INNOVATION: Staub zu Staub

Geformt „From Dust“

Auf dem Weg in eine bessere Zukunft gerät ein Stamm von Eingeborenen zwischen zwei Ströme: zur Linken blubbert ein kochender Lavasfluss, rechts nagen reißende Wasser den schmalen Sandsteg weg, auf dem sich die Flüchtenden zusammendrängen. Die Lage ist ausweglos, und herzergreifende Gebete schallen in den Himmel. Niemand sieht den Sand niedergehen, und doch ist dort auf einmal eine Düne, die das Wasser umlenkt und einen letzten Ausweg schafft. Auf dem Weg zum rettenden Weltentor, bleibt aber nicht viel Zeit, um der unsichtbaren Macht zu danken – schon bald drohen die nächsten Naturgewalten.


Der Mensch wirkt nicht nur klein zwischen den Naturgewalten in "From Dust" (Bild, Offiziellen Seite)
Der Mensch wirkt nicht nur klein zwischen den Naturgewalten in "From Dust" (Bild, Offiziellen Seite)

Doch dieser Unsichtbare ist glücklicherweise nicht nachtragend, zufrieden planiert er schon wieder die nächsten Routen für seine Schützlinge durch die Untiefen der ->PS3. Denn die magisch anziehende, physikalisch korrekte Welt von ->From Dust entstand ursprünglich als Tech-Demo, das heißt als Vorführbaukasten für physikalische, grafische und partikelintensive Rechenprozesse.

Dabei entstand eine so eindrucksvolle Spielwiese, dass ->Ubisoft sich entschloss, die Entwickler vom Hausstudio Montpellier (verantwortlich für z.B. das Spieljuwel ->Beyond Good & Evil) daraus gleich ein richtiges Videospiel weiterdenken zu lassen. Es wurde schließlich als Downloadtitel für ->Playstation 3 und ->XBox360 2011 veröffentlicht. Doch es ist mehr als ein Spiel – ein meditativer Baukasten, ein Schauspiel der Naturkräfte und ein Gleichnis über den Menschen als deren Spielball…

Auf frühpolynesisch anmutenden Inselwelten rieselt Sand physikalisch korrekt von Felsgraten, hinter denen regelmäßig Vulkane Lavaströme in die Landschaft pumpen. Dabei ausgestoßene Felsen setzen glühend die Vegetation in Brand, während sich das Flüssiggestein zäh abwärts wälzt und zischend ins Meer eindringt. Dort erkaltet es nach einiger Zeit, bis die nächste Eruption Gesteinsbrei auswirft. Die Technik allein ist bereits eindrucksvoll. Wasser fließt atemberaubend akkurat über Hänge und sammelt sich in Senken, in denen es langsam versickert. Gelegentlich wirft sich auch ein Tsunami gegen und über die Inselwelt und reißt die Landschaft auf.

In dieser großen Sandkiste kann mit dem Controller Material aufgenommen werden, dass an anderer Stelle wieder freigesetzt wird. So können Flussläufe verändert werden, indem Barrieren das Wasser ableiten, oder Durchbrüche Lavaströme auf die andere Inselseite abfließen lassen. Das an sich lässt das Kind im Inneren schon jauchzen und frohlocken. Da sich die Landschaft nie ganz oder höchstens auf Zeit dem Spielerwillen unterwirft, kann man sich stundenlang mit dem Herummanschen an dieser virtuellen Sandburg vergnügen – nun gut, mit den zusätzlichen Vorteilen von Lava, fließendem Wasser, wachsenden Wäldern und der Fauna sowie dem Fehlen von Schlick unter den Fingernägeln.

Obwohl… Schmutzig macht man sich die Finger dann doch; wenn nämlich die „Polynesischen“ Ureinwohner – nennen wir sie ihrer Optik wegen einfach mal so – ihren Auftritt im Rahmen des spielerischen (und nicht des verspielten) Anteils in „From Dust“ erhalten. Diese an Strichmännchen mit grotesk großen, bleichen Schildmasken erinnernden Schützlinge bitten freundlich, man möge sie doch durch die Naturgewalten leiten, um in jedem Spielgebiet ein Tor zur nächsten Welt zu erreichen. Nun ist es aber zumindest bei der vom Spieler verkörperten Gottheit nicht allzu gut um die Allmächtigkeit bestellt, denn an den Naturkonstanten kann sie offenbar nicht rumschrauben. Auch die Gläubigen am Schlawittchen zu packen, um sie durch das Leveltor hinauszuwerfen, liegt außerhalb der Möglichkeiten. So bleibt nur, die Natur indirekt zu nutzen, um den Kleinen den Weg zu weisen – mit den gleichen Methoden, wie oben beschrieben.



Naturgewalten in Aktion: Gameplay von From Dust (via Youtube)

Dabei haben die Entwickler durchaus anspruchsvolle Herausforderungen gestrickt. Wird anfangs nur Erde verschoben und vielleicht die Auslöschung durch einen Tsunami verhindert, so quillt in einem späteren Gebiet aus jeder Sandentnahme sogleich eine Quelle. Damit steigt unerbittlich der Wasserspiegel, bis die Schützlinge ersaufen. Zwischendurch kann das Wasser verdampft werden, aber nur für wenige stresserfüllte Sekunden, in denen die sandigen Dünen umsortiert werden müssen. Die Verdampfung löst die Kontrolle über ein kultisches Objekt aus, auch Dörfer können darum entstehen, um die sich dann pazifische Vegetation ausbreitet. In einer anderen Umgebung lösen Vulkanausbrüche spontane Brände entlang der Reiseroute aus, die zügig auch auf eben jene Walddörfchen übergreifen. Bei der Brandkämpfung noch die Lava im Zaum zu halten und zudem begehbare Höhenzüge für die Wandernden ins Wasser zu verklappen, treibt so manchen Schweißtropfen auf die Stirn. Auch wenn die stimmige Ureinwohnermusik einen streckenweise meditativ einfängt – die Rettungsarbeit besänftigt diese Atmosphäre nicht.

Der Downloadtitel für die PS3 und die XBox bietet so ein neuartiges Erlebnis, in dem der eigentliche Star nicht das Spiel, sondern dessen faszinierende technische Seite ist. Dass dieser Experimentierbaukasten in weitere Spiele eingehen wird, ist zur Zeit leider nicht abzusehen. Wünschenswert wäre es allerdings, zeigt er doch auch, was technisch bereits auf der gegenwärtigen Generation der Konsolen möglich ist. Nicht nur für die kleinen polynesischen Maskenträger ebnet dieses Stück Software der Weg in eine bessere Zukunft, auch für Videospiele an sich würden solche interaktive Natureinflüsse dieser Qualität in eine strahlendere Gameplayzukunft führen.

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