INNOVATION: Dein Schicksal ist belanglos

Auf die Hüter der Menschheit warten in ‚Destiny‘ packende Gefechte und viel verschenktes Potential

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Im Sonnensystem ist der Teufel los. Buchstäblich. Erst vor ein paar Jahrhunderten stand die Menschheit noch in einer goldenen Epoche, besiedelte den Mars und formte die Venus zu einem blühenden Garten. Dann verdunkelten Invasoren die Erdensonne und trieben die Menschheit an den Rand ihrer Auslöschung. Nur eine letzte Stadt überlebte, beschützt von einer mondähnlichen Sphäre.

Irgendetwas veränderte sich jedoch vor Kurzem, die Lage schien sich zu beruhigen. Und so griff ich zusammen mit anderen, sogenannten Hütern, wieder nach den Sternen. Eine lange Reise später sind viele Ruinen der Menschheit besucht und zahlreiche Relikte geborgen. Es ist noch nicht lange her, dass ich neue Angriffspläne vereitelte und Crota, den dafür verantwortlichen Anführer der Besessenen, besiegte. Stolz kehrte ich zur Heimatbasis zurück.

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Im Vorfeld verbanden sich mit „Destiny“ viele Hoffnungen auf einen spielehistorischen Schritt für Multiplayer-Online-Shooter, diese Erwartungen jedoch erfüllten sich nicht. Dennoch enthält es wegweisende Ideen. (Official Destiny – Launch Gameplay Trailer | Kanal destinygame via Youtube)

Ich hätte gewarnt sein können. Zuvor schon hatten mich Gespräche und Erzählungen unterwältigt. Meist verbarg waberndes Geschwurbel den Sinn so gut wie jeder Mission hinter einem Schleier des Nichtssagenden. Zurückgekehrt in die sichere Heimat, entlohnte mich das Ende der Kampagne daher mit einem abschließenden Gespräch und ebenso weitschweifigen wie pathetischen Platitüden: „Noch immer liegen die Gefahren irgendwo da draußen.“ – „Der Preis der Freiheit ist ewige Wachsamkeit.“ – „Ich habe fürchterliche Dinge gesehen, geboren aus Dunkelheit.“ – „Jedes Ende ist auch ein Anfang.“ Und die genannten Phrasen konzentrieren sich allein auf ein Gespräch.

Dieser Verlauf ist symptomatisch für ->Destiny, den revolutionären Multiplayer-Shooter, für welchen ->Activision langfristig die fantastische Summe von 500 Mio. US-Dollar in die Entwickler-Legende ->Bungie investiert. Überall war vor der Veröffentlichung von einem Meilenstein der Spielegeschichte zu lesen, der sich mit ->Destiny ankündigte. Der Spielfluss in den ständigen Gefechten, die quer durch unser Sonnensystem in einer fernen Zukunft toben, ist fesselnd, keine Frage. Mir blieb aber lange rätselhaft, warum es den erfahrenen Entwicklern nicht gelang, das wunderschöne Sonnensystem voller weitläufiger Schauplätze mit einem entsprechend fesselnden Netzwerk an Geschichten zu verweben. So unendlich viel Potential wirkte verschenkt.

Destiny ist verlockend schön, verfügt über eine lebendige Spielwelt und funktioniert als Shooter flüssig. Doch es wäre so viel mehr drin gewesen. (Abb.: eigener Screenshot PS4)
Destiny ist verlockend schön, wie hier am letzten Stützpunkt der Menschheit, verfügt über eine lebendige Spielwelt und funktioniert als Shooter flüssig. Doch es wäre so viel mehr drin gewesen. (Abb.: eigener Screenshot PS4)

In der Erweiterung ->König der Besessenen zeigte sich hingegen, dass dieses Studio dessen durchaus mächtig ist. Nicht nur werden die Schauplätze besser eingebunden, verfilmte Dialoge setzen auch den eigenen Spieler-Charakter besser in Szene. Auf diese Weise erhöht sich die Bindung an die Spielenden. Das zeigt, welches Potential in dem Massively-Multiplayer Online-Spiel (MMO) noch schlummert.

Bis man sich aber auf eine geeignete Stufe hochgelevelt hat, um die Inhalte des Addons zu überleben, dürfte die meisten Spieler das Interesse verlassen. Besonders diejenigen werden eine narrative Sinnstiftung vermissen, denen es für eine runde Spielerfahrung nicht genügt, wie in dem klassischen Vorbild ->Diablo repetitiv Beute zu sammeln und schleppend zu leveln . Selbst wenn ->Destiny einen bedeutungsschwangeren Namen vor sich her trägt, dürfte vielen Spielerinnen und Spielern ein solches Schicksal völlig belangslos vorkommen…

Besessen

Es ist so schade um dieses Spiel, denn eigentlich bietet das Sonnensystem der Zukunft eine ideal angelegte Spielwelt. Von der Erde kann man auch mal ohne Quest für ein paar Minuten auf den Mond oder zu den Planeten fliegen, um etwa auf dem Mars in die Kämpfe zwischen außerirdischen Völkern einzugreifen. Abhängig von automatisierten Routinen und von der Spielerzahl an einem Ort verketten sich Ereignisse zu immer neuen Erfahrungen in den offenen Spielgebieten. Auch die Orte, die in den Strängen der Handlung relevant sind, liegen hier und können außerhalb von Quests aufgesucht werden – etwa um erst Streit und dann Ausrüstung zu suchen. Seltsam ist nur, was die Aliens so unter der Panzerung tragen. Außerirdische Gegner lassen erstaunlich viel Brauchbares an Bekleidung fallen, selbst wenn sie doppelt so breit sind wie man selbst. Tja, nun, so sind Rollenspiele halt.

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Mit der großen Erweiterung um den ‚König der Besessenen‘ besserten sich viele strukturelle und inhaltliche Defizite. Das peinliche Cowboy-Gehabe im Trailer zeigt jedoch auch, dass Bungie noch immer nicht genau weiß, welchen Ton das Spiel atmosphärisch anschlagen soll. (Official Destiny: The Taken King – Launch Gameplay Trailer | Kanal destinygame via Youtube)

Zyklen in denTageszeiten erhöhen die Variationen der Schauplätze nochmals. In welchem Shooter bricht schon sonst mitten in einem Gefecht die Nacht herein. Zumal auch die Planetenwelt räumlich modelliert ist. Es ist eindrucksvoll, wenn man gerade hektisch die Waffe durchlädt und urplötzlich im Schatten steht. Wendet man den Blick nach oben, schiebt sich etwa der Marsmond Phobos vor die Sonne. Der Spielwelt gelingt es so, gespenstisch gefangen zu nehmen. Obwohl die Rahmenhandlung so schwach ist, liegt darin der Grund, weshalb man den Blick irgendwann zur Uhr wendet, und schon wieder bis tief in die Nacht hinein gespielt hat. Es ist, als wäre man besessen. Vom Spielgefühl her hat ->Bungie mit ->Destiny somit ganze Arbeit geleistet. Die Erfahrungen der Entwickler mit ihren legendären Shootern aus der Reihe ->Halo macht sich eindeutig bemerkbar. Die Schießereien in ->Destiny erreichen tatsächlich ein neues Niveau von Spielfluss.

In der ehemals russischen Tundra liegen die rostigen Trümmer einst blühender Raumhäfen. Mit einem Gleiter können Distanzen in den weitläufigen Leveln gut überbrückt werden. (Abb. eigener Screenshot PS4)
In der ehemals russischen Tundra liegen die rostigen Trümmer einst blühender Raumhäfen. Mit einem Gleiter können Distanzen in den weitläufigen Leveln gut überbrückt werden. (Abb. eigener Screenshot PS4)

Die Schauplätze sind weitläufig und ereignisreich inszeniert. Das irdische Kosmodrom, ein verrosteter Riesenraumhafen im ehemaligen Russland, beherbergt ein Verteidigungsmaschine, welche die große Invasion überstanden hat. Auf dem Mond hat sich die Schar buchstäblich eingegraben und tiefe Wunden in die Oberfläche gesprengt. Auf der Venus erwacht mit den Vex ein Volk aus Maschinenwesen, und den Mars besetzen schwer gepanzerte Truppen der Kabal. Die Gefallenen wiederum verschanzen sich im Trümmerfeld des Asteroidengürtels. Selbst dem Marsmond Phobos stattet man einen Besuch ab, als die Besessenen zum Sturm auf das Sonnensystem ansetzen. So atemberaubend die Schauplätze und Völker anzusehen sind, bleiben sie leider farblos, weil ihre Motive unerklärt und die Schlachten untereinander so nur Staffage bleiben.

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Die Völker im Sonnensystem werden spannend eingeführt, ihre Fraktionen erwecken interesse, allerdings bleiben die Hintegründe zu den Konflikten weitgehend hinter einem Schleier aus Andeutungen verborgen. (Official Destiny Expansion II: House of Wolves Prologue | Kanal destinygame via Youtube)

Auch die Quests der zuletzt erschienenen Erweiterung ->König der Besessenen führen immer wieder auf alle Planeten und Monde zurück. Neu hinzu kommt darin das düstere Grabschiff, das bei seiner Ankunft ein weithin sichtbares Loch in die Saturnringe sprengt. Erinnern Sie sich noch an den besiegten Anführer der Besessenen in meiner Einleitung: Crota? Ich hatte dessen Plan vereitelt, den Rest der Erde auch noch zu erobern, und ihn dabei zerlegt. Wie sich herausstellt, ist der König der Besessenen nicht nur dessen Vater Oryx, sondern auch stinksauer über das vorzeitige Ableben seines Sprosses und in Begleitung einer schlagkräftigen Armada. Mit dieser zerschmettert er im Handstreich eine ganze Flotte durch einen Asteroidenhagel. Zum Reden kommt der nicht vorbei.

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Von den Ringen des Saturns aus drohen die Besessenen mit ihrem König Oryx das Sonnensystem zu unterjochen. Düster, voller Schemen und bizarrer Architektur ist dieser Schauplatz ebenso eindrucksvoll wie die Designs der Planeten. (Abb. eigener Screenshot PS4)

Verbessertes Schicksal

Wer bis zum Addon durchgehalten hat, dessen Missionen auf der Charakterstufe 25 einsetzen, wird mit einer wesentlich besseren Inszenierung belohnt als im Hauptprogramm. Bezüglich der Hintergründe über die Spielwelt ist sie jedoch nicht weniger verwirrend und verbalneurotisch. Der stimmigere Gesamteindruck liegt vor allem daran, dass häufiger Zwischensequenzen die Missionen verknüpfen, die den eigenen Avatar viel stärker einbinden. Dialoge sind nun weit weniger mit wirren Versatzstücken aus Pathos überfrachtet. Außerdem reagiert die Spielfigur endlich auf ihre Umgebung und auf die Äußerungen anderer. Zum Beispiel auf den Geist, den kleinen elektronischen Begleiter, der irgendwo zwischen Sidekick und analytischem Werkzeug anzusiedeln ist. Allein schon die empathischere Mimik von Gesprächspartnern saugt plötzlich stärker in die Spielwelt ein.

Erst in der Erweiterung "König der Besessenen" gelingt Destiny eine bessere Inszenierung. Auch die Dialoge zwischen meiner Charactrice und dem kleinen Ghost, ihrem Begleiter, wirken besser umgesetzt. (Abb.: eigener Screenshot PS4)
Erst in der Erweiterung „König der Besessenen“ gelingt Destiny eine bessere Inszenierung. Auch die Dialoge zwischen meiner Charactrice und dem kleinen Ghost, ihrem Begleiter, wirken besser umgesetzt. (Abb.: eigener Screenshot PS4)

Wie mittlerweile bekannt wurde, kommt das Gefühl nicht von ungefähr, dass ->Destiny zum spielegeschichtlichen Meilenstein etwas fehlte. Man sollte doch meinen, ein MMO, in das mehr als 500 Mio. US-Dollar investiert werden, verfügt über einen genügend großen Etat für ein paar raffinierte Autoren. Ein über das Sonnensystem verwobenes narratives Netzwerk mit packenden Zwischensequenzen sowie einer mitreißende Bindung an Spielwelt, Charaktere und das Schicksal des eigenen Protagonisten hätte aus dem gut funktionierendem MMO-Shooter eine Sensation machen können.

Das Potenzial einer packenden Geschichte um den Wiederaufstieg der Menschheit verschenkt Destiny jedoch völlig. Im ständigen Abwehrkampf gegen verschiedene Feindvölker fliegen fremdartige Namen und Schauplätze an einem vorbei, ohne je auch nur das große Mysterium der zerstörten Heimat aufzulösen. Nein, auch bis Stufe 40 gelingt dies nicht – die habe ich lange erreicht. Und ich sauge jeden auffindbaren Fitzel einer Handlung in mich auf.

Auf dem Mars liegen gepanzerte Truppen der Kabale unter meinem Beschuss. Da sich auch die Maschinenwesen der Vex und die Schatten der Besessenen den Planeten sichern wollen, gerät man als Spieler oft ins Kreuzfeuer. (Abb.: Ausschnitt, eigener Screenshot PS4)
Auf dem Mars liegen gepanzerte Truppen der Kabale unter meinem Beschuss. Da sich auch die Maschinenwesen der Vex und die Schatten der Besessenen den Planeten sichern wollen, gerät man als Spieler oft ins Kreuzfeuer. (Abb.: Ausschnitt, eigener Screenshot PS4)

Kurz vor Veröffentlichung, so wurde mittlerweile bekannt, kam es bei den Entwicklern zu einer wahren Kernschmelze. Die komplette Handlung sei, so berichtet Jason Schreier für Kotaku, bei Präsentationen wenige Wochen vor Release als konfus und unverständlich durchgefallen (siehe ->Schreier, Jason: The Messy, True Story Behind The Making Of Destiny, in: Kotaku 20.10.2015). Schon 2013 hatte der langjährige Chefautor von ->Bungie Joe Staten seinen Abschied genommen – offenbar war das kein gutes Omen für das Weltraum-MMO (siehe ->Ritter, Tobias: Bungie – Creative Director und Autor Joe Staten verlässt das Unternehmen, in: Gamestar.de 25.9.2013). Hektisch seien, so die Quelle, bis auf die wenigen verbliebenen Fragmente eine Vielzahl teurer filmischer Sequenzen und Storyelemente entfernt worden. Bitter, denn technisch sind die Überbleibsel bewundernswert. Offenbar konnte jedoch auch dieser massive Schnittprozess den Eindruck geistiger Umnachtung nicht beheben.

Manche Beteiligte hingegen schwärmten für die ursprüngliche Geschichtenwelt und weisen die Schuld an der Verwirrung einem stümperhaften Storyzusammenschnitt bei einer internen Abschlusspräsentation zu. Panisch habe man daraufhin versucht, die Geschichte zu entschlacken. Diese hektische Änderungsschneiderei erklärt, warum, gemessen am Etat, nur so wenige Storysequenzen überlebten.

Auch für den Umstand, dass ausgerechnet auf Sammelkarten viele Hintergründe der Geschichte und der Figuren erläutert werden, könnte hier der Ursprung liegen. Auf jene, die im Spiel eine solide Geschichte vermissen, musste dieses Outsourcing sehr absurd wirken. Seltsam erschien zudem, dass man sich diese sogenannten ->Grimoire-Karten zwar im Spiel verdient, um sie aber einzusehen, muss man einen Account beim Entwickler ->Bungie eröffnen. Da der Koop-Shooter zusätzlich zu den satten Preisen im Handel sowieso schon ein kostenpflichtiges Abonnement des ->Playstation-Netzwerks (PSN) oder von ->XBox Live erfordert, wirkte das wie eine Gängelung des Kunden: „Willst Du wenigstens ein paar Storyschnipsel lesen, dann musst Du Dich schon bei uns anmelden.“

Nur am untersten Bildrand weist Destiny darauf hin, dass der Spielverlauf Sammelkarten freischaltet. Dass diese auch wesentliche Hintergründe zur Spielwelt erläutern, verschweigt das Spiel. Blöd auch, dass eine Anmeldung bei Bungie erforderlich ist. (Abb.: Ausschnitt, eigener Screenshot PS4)
Nur am untersten Bildrand weist Destiny darauf hin, dass der Spielverlauf Sammelkarten freischaltet. Dass diese auch wesentliche Hintergründe zur Spielwelt erläutern, verschweigt das Spiel. Unangenehm ist auch, dass eine zusätzliche Anmeldung bei Bungie erforderlich ist. (Abb.: Ausschnitt, eigener Screenshot PS4)

Im Lichte der obigen Schnittaktion betrachtet, wird das ->Grimoire wohl eher ein Bonus gewesen sein. Wer die komplette Geschichte sehen will, dem bleibt daher nur die Hoffnung auf einen Director’s Cut oder Destiny 2 – das bereits für das Frühjahr 2017 angekündigt wurde. (siehe ->Linken, Andre: Destiny 2 – Bungie kündigt Release an, Addon für Destiny 1 im Anmarsch, in: gamepro.de vom 12.2.2016). Was wäre das auch ansonsten für eine Verschwendung von kinoreifem Material. Ob durch die Schnittschere die verwirrende Handlung und das Schicksal der Spielfigur nun verständlicher geworden sind, wage ich zu bezweifeln. Wie konfus die übrig gebliebenen Versatzstücke wirken, habe ich bereits ausgeführt. Wollte ->Bungie jedoch ->Destiny substantiell verbessern, so müssten die Entwickler an genau drei Punkten ansetzen: die Spieler an ihren Avatar binden, die Hintergrundwelt entwirren und Missionen besser in die Handlungsstränge einbetten. Dass dies sinnvolle Schritte wären, zeigte die Erweiterung.

Solides Fundament

Dass die Shootermechanik ansonsten einen hervorragenden Spielfluss erzeugt, ist unbestreitbar. ->Bungie gelang zwar nicht die versprochene Revolution, welche die Eigenschaften von Multiplayer-Shootern mit Online-Rollenspielen kreuzen sollte, aber der Entwickler bewies, dass die Konzepte im Grundsatz in die richtige Richtung weisen. Die Spielmechanik ist klug ausgerichtet, das Szenario des wiederzuentdeckenden Sonnensystemes ist faszinierend, die Spielwelt beeindruckend.

Entdecker wie mich motiviert, dass nach und nach der Handlungsraum erweitert wird – durch neue Planeten, deren Levelgebiete frei durchwandert werden können, sowie neue Fähigkeiten des Charakters. Die Spielwelt wird vor allem lebendig, weil ständig neue Ereignisse ablaufen: In Abhängigkeit von der Zahl und den Aufträgen anwesender Spieler wird zum Beispiel die Landung besonders schwergewichtiger Truppen ausgelöst, ähnlich wie bei automatisierten Events, die sich in ->Guild Wars 2 auflösen. Durch dieses auf programmierten Routinen basierende Zufallsverhalten wird selbst ein kurzer, zielloser Trip auf einen Planeten kurzweilig.

Die Anderen im All

Allerdings stoße ich bei Weitem nicht in alle Elemente des Multiplayer-Anteils vor. Da gibt es Arenen für Schaukämpfe gegen anbrandende Gegnerhorden, diverse Modi, in denen menschliche Kämpfer gegeneinander antreten, und die wirklich spannenden Strike-Missionen. In letzteren zieht man gemeinsam mit anderen Spielern in kleine Mini-Stories, die in brachialen Gefechten münden. Solche Spezialeinsätze machen sogar großen Spaß, ohne über ein Headset zu kommunizieren, weil man recht zügig zu lesen lernt, über welche Fähigkeiten die Koop-Partner verfügen. So kann man sie schnell unterstützen.

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Auch die Schar, die den Mond von innen heraus aushöhlt, ist von faszinierendem, stimmungsvollem Design, ihre Motive und Interessen werden aber viel zu wenig erklärt. (Official Destiny Expansion I: The Dark Below Trailer | Kanal destinygame via Youtube)

Dem PVP-Genuss aber, also den Gefechten Player vs. Player, steht an den Konsolen leider meine Unfähigkeit entgegen. Mit einem Controller würde ich Spieler, die sich hektisch bewegen, wohl nicht einmal treffen, wenn ich den Monitor mit ihm bewerfen würde. Was an Talent für die Künstliche Intelligenz (KI) reicht, durchsiebt noch lange nicht menschliche Kontrahenten. Im Vergleich zum PC, auf dem ich seit Jahren die Team-Shooter der Reihe ->Battlefield intensiv spiele, komme ich mir in Konsolenshootern wie ein blinder Affe vor, dem jemand beide Hände auf den Rücken gebunden hat.

Immer an der Wand lang

So fesselnd auch die Strikes mit anderen Spielern sind, die vielen Missionen im Alleingang oder die Patrouillen auf Mars, Mond und Venus, so erreicht man doch irgendwann die gegenwärtige Maximalstufe 40. Dann aber muss man eigentlich den sogenannten Lichtlevel noch weiter erhöhen, der die Waffenkraft und Rüstungsstärke subsummiert. Nur mit einem sehr hohen Wert lebt man lange genug, um auch die größten Gegenspieler aus der Rüstung zu schießen.

Um an dieser Stelle noch im Spiel voran zu kommen, setzt nervtötendes Gegrinde ein, denn um das Lichtlevel zu erhöhen, müssen vor allem seltene, violette Gegenstände gefunden werden. Der Gamer-Begriff „Grinding“ meint, dass man auf der Suche nach besserer Ausrüstung immerzu Einsatz um Einsatz wiederholt, um an besseres Gerät zu gelangen. Die Objekte können auch, einen entsprechenden Rang vorausgesetzt, bei Händlern der Fraktionen erstanden werden. Dafür benötigt man jedoch legendäre Marken, die wiederum vorwiegend durch PVP-Kämpfe zu erwerben sind. Wenn es denn gelingt, zusätzliche Aufträge zu erfüllen oder mit dem eigenen Team zu siegen. Bei einem schlechten PVP-Team – und mit mir dabei ist die Wahrscheinlichkeit dafür recht hoch – geht man am Ende leer aus.

Violette Gegenstände sind äußerst selten. Eine Menge Spielzeit muss gegen Ende darauf verwandt werden, solch mächtige Ausrüstung und Waffen zu finden. So wird besonders nervig, wenn immer wieder Objekte aufgesammelt werden, die nicht zum eigenen Equipment passen. (Abb.: eigener Screenshot PS4)
Violette Gegenstände sind äußerst selten. Eine Menge Spielzeit muss gegen Ende darauf verwandt werden, solch mächtige Ausrüstung und Waffen zu finden. So wird besonders nervig, wenn immer wieder Objekte aufgesammelt werden, die nicht zum eigenen Equipment passen. (Abb.: eigener Screenshot PS4)

Das ist Grinding, wie es im Buche steht. Irgendwann ist nunmal der mitgelieferte Story-Content vorbei. Um die Spieler bis zum nächsten Update beim Spiel zu halten, errichten Entwickler im hochstufigen Endgame Hamsterräder. Mich hat eine solche absurde Verlängerungsspirale noch nie gefesselt. Im Gegenteil, denn als Spieler, der es liebt zu entdecken und Geschichten zu erspielen, empfinde ich solche spielmechanischen Endloskreisläufe als bleiches Gerippe ohne jedes Fleisch auf den Rippen. Dann steige ich lieber aus.

Dass dort nur noch Spielertypen bedient werden, die Wert auf Wettkämpfe legen, Entdecker und Forscher jedoch nicht, betrifft nicht allein das Spiel ->Destiny. Für die Tretmühle wurden nirgends intelligentere Lösungen gefunden. Alle MMO-Entwickler können sich diesen Auftrag in ihre Bücher schreiben. Ein Lösungsweg wäre zum Beispiel automatisiertes Storytelling mittels der Welt und Ereignissen, wie es die kleine Indie-Perle ->The Curious Expedition vormacht. Die Branche hat da bislang im MMO-Sektur nur wenig Hirnschmalz investiert. Die wenigen Experimente mit Storytelling in Multiplayer-Missionen gingen wie im Mech-Shooter ->Titanfall zudem nicht gut aus (siehe ->INNOVATION: Sturz der Titanen vom 21.5.2014).

Ein großer Schritt für die Menschheit?

Trotz der genannten Defizite ist ->Destiny allein aufgrund seiner spielmechanischen Elemente extrem fesselnd. Stunden kann ich dabei verbringen, bloß die zufallsgenerierten Einsätze auf Mars, Venus oder dem Mond zu spielen, die mir in Events auch mal knackigere Gegner vor den Lauf setzen. Oder ich trete in den Arenen am Asteroidengürtel mit anderen Menschen kooperativ gegen Feindwellen an. Nach zwei, drei Stunden beginnt man sich jedoch zu fragen: „Soll das etwa mein Schicksal sein?“

Die Spielwelt ist faszinierend, wird jedoch von kaum verständlichen Hintergrundgeschichten nur dürftig zusammengehalten. (Abb.: eigener Screenshot PS4)
Die Spielwelt ist faszinierend, etwa beim hier angeflogenen Mars, wird jedoch von einer kaum verständlichen Hintergrundgeschichte nur dürftig zusammengehalten. (Abb.: eigener Screenshot PS4)

Ist das MMO-Experiment deswegen also nicht der versprochene Meilenstein der Spielegeschichte? Sicherlich ist ->Destiny nicht der große Wurf geworden, den Activision mit einer halben Milliarde US-Dollar geplant hatte. Dafür hat ->Bungie aber ein lebendiges Sonnensystem mit spannenden Fraktionen erschaffen und technisch ein flüssiges Spielsystem mit Sogwirkung geliefert. Die Grundanlagen zeigen, wie reizvoll es ist, wenn weniger bestimmte Genres im Mittelpunkt der Entwicklung stehen, sondern eine Spielwelt an sich.

Das ist schon eine bemerkenswerte spielegeschichtliche Entwicklung bei Shootern. Mir zeigt sich daran, dass die Bedeutung von Genres immer mehr schrumpft. Etwa das von mir oft zitierte ->The Secret World verfügt selbst als Online-Rollenspiel mittlerweile über direkte, schnelle Kampfmodi. (siehe ->The Secret World: Ausgabe Nr. 4: „Großer Ärger im Big Apple“ ist erschienen!, in: The Secret World. Blog vom 12.12.2012).

Für Fans von Shootern gibt es in einer ausdifferenzierten Spielwelt wie bei ->Destiny genug zu tun, ob nun allein oder kooperativ. Aber eben auch Spieler, denen der Magen kribbelt, wenn sie wie bei ->Diablo 2 nach Massen an Ausrüstung stöbern, haben ihre Freude. Es gibt sogar eine ganze Menge zu entdecken. Wären also die narrativen Elemente und die Inszenierung der Spielfigur nicht so ein Fehltritt geworden, wäre der historische Schritt erreichbar gewesen. So ist ein solcher Meilenstein aber immer noch für den Nachfolger denkbar. Im Moment mag das Schicksal also belanglos erscheinen, zukünftig aber kann es noch zu etwas ganz Großem führen.

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