INNOVATION: Die Götter müssen bekloppt sein

Der lange ersehnte Populous-Nachfolger Godus ist seines Schöpfers leider nicht würdig

(PC | Android (getestet) | OS X | iOS)

Kennen Sie ->Peter Molyneux? Nein? Dann ging an Ihnen eine der wichtigsten, gleichzeitig aber auch umstrittendsten Figuren der Games-Branche vorbei. Er ist eine Legende unter den Entwicklern – darauf können sich wohl alle einigen, die ihn kennen. Für die einen ist er einer der letzten Kreativmotoren einer Entwicklerszene, die von Aktionärsversammlungen stromlinienförmig getrimmt wurde . Für die anderen fehlt zu seiner überschäumenden Kreativität das notwendig gehörende Talent, die Ideen auch von papiernen Skizzen in funktionierende Software zu gießen. Beide Seiten haben irgendwie recht.

Godus erschafft eine beschauliche Miniaturwelt, in der sich allerhand bewegt - nur leider nicht genug, was von Belang wäre. (Abb.: eigener Screenshot, via Samsung Galaxy S4 mini (wie nachfolgende))
Godus erschafft eine beschauliche Miniaturwelt, in der sich allerhand bewegt – nur leider nicht genug, was von Belang wäre. (Abb.: eigener Screenshot, via Samsung Galaxy S4 mini (wie nachfolgende))

Wenn dieser Mann aber ankündigt, den Geist einer seiner Schöpfungen aufleben zu lassen und dahinter nicht nur eine Neuauflage mit verbesserter Bildschirm-Auflösung steckt, werden zunächst einmal alle hellhörig. Heißt dieses Spiel dann auch noch ->Populous, setzt bei den meisten älteren Spielern ohnehin der Speichelfluss ein. Molyneux verhalf 1989 mit einem neuen Spielgenre dem Studio ->Bullfrog zu nachhaltiger Anerkennung: der Göttersimulation. In Spielen dieser Art führt der Spieler oft ein Urvolk aus der Kulturlosigkeit, ist für seine Fähigkeiten jedoch daran gebunden, dass dieses Volk ihn als seinen Gott unterstützt. Ob es aus Furcht gläubig ist oder aufgrund der Barmherzigkeit eines Spielers, blieb dessen freie Entscheidung. Wächst die Glaubenskraft, erhöht sich die Macht, mit der ein Spieler die Welt gestalten, seine Jünger fördern oder strafen kann. Das Thema von göttlicher Macht und moralischen Entscheidungen ließ Molyneux bei vielen seiner Videospiele nicht mehr los.

Seit 2013 ist nun mit ->Godus eine weitere Variation dieses Grundprinzips erschienen. Den Erfahrungen, die in diesem Artikel beschrieben werden, lag die Version für mobile Android-Geräte zugrunde. Molyneux’s neues Studio ->22cans experimentierte dafür mit den Eigenschaften mobiler Plattformen herum, wie es viele Marktakteure zur Zeit versuchen. So gingen viele Elemente des Free-To-Play-Trends in das Bezahlmodell ein – und damit in die Spielmechanik. Stark zu bezweifeln ist, dass diese Interpretation bei den Götter Gefallen findet. Die müssten bekloppt sein, um sich diesem Spiel lange zu widmen…

Die alten Götter

Das Studio ->Bullfrog auf den Erstling ->Populous zu reduzieren ist jedoch ebenso wenig fair, wie ->Peter Molyneux auf Bullfrog. Zu Zeiten dieses Studios schuf der Entwickler weitere prägende Perlen der Spielgeschichte, zu deren herausragendsten Beispielen das Taktik-Rollenspiel ->Syndicate gehört. Darin führte man die Söldnertruppen eines Großkonzerns durch eine dystopische Großstadt und festigte deren Macht. ->Dungeon Keeper ist ein weiteres legendäres Spiel dieser Schmiede. Dort übernahmen die Spieler den ebenso amüsanten wie anstrengenden Posten eines Bösewichtes in einer Kerkerwelt. Mithilfe fieser Fallen und einem Heer an kleinen Dämonen bekämpfte dieser Heldengruppen, die nach den Schätzen des Unterweltherrschers gierten. Bitte verwechseln Sie diesen Klassiker bloß nicht mit dem Remake durch ->Electronic Arts aus dem Jahr 2014, wegen dessen geradezu pervertierten Bezahlmethoden wütende Proteststürme ausbrachen (siehe Obermeier, Michael: Dungeon Keeper – Shitstorm wegen Inn-App-Käufen, in: Gamestar.de vom 4.2.2014). Zu den genreprägenden Erfolgen von Molyneux kam – und auch damit wäre die Liste noch nicht vollständig – einer der Urväter der Aufbauspiele, in denen Vergnügungsparks hochgezogen wurden: ->Theme Park.

httpvh://youtu.be/bzizBmgL6lw
Peter Molyneux ist eine legendäre Gestalt der Videospielegeschichte, über die sich die Geister streiten. Die GameStar hat jüngst ein aufschlussreiches Interview über sein Leben geführt. (Ich habe Microsoft in den Wahnsinn getrieben – Peter Molyneux Interview, Teil 1 / Kanal Gamestar via Youtube)

Nachdem das Studio an ->Electronic Arts verkauft wurde, gründete Molyneux 1997 ein neues Studio mit dem Namen ->Lionhead Studios. Dort entstanden weitere Videospiele, die nicht weniger bedeutend für die Geschichte digitaler Games wurden. Am berühmtesten ist die ->Fable-Serie, deren erster Ableger 2004 erschien. Dabei handelte es sich um Rollenspiele in 3D-Welten, die einen klaren Fantasy-Bezug haben. Sie sind jedoch besiedelt von glaubwürdigen Charakteren, die häufig in moralischen Dilemmata stecken. Für Spieler sind Entscheidungen daher nicht als richtig oder falsch erkennbar, einmal getroffen, beeinflussten sie die Spielwelt und ihre Figuren jedoch schleichend. Und so verändern die eingeschlagenen Pfade zum Beispiel die Einstellung von Dorfbewohnern gegenüber der Spielfigur, das Äußere des Spieleravatars und seiner Begleiter sowie die Handlungsoptionen in der Spielwelt.

Schon vor diesem großen Erfolg probierte sich Molyneux jedoch an neuen Göttersimulationen. ->Black&White ließ bereits 2001 die Spieler allein in Form einer göttlichen Hand über die Spielwelten gleiten. Spielprinzipien, die jetzt in ->Godus wieder in Erscheinung treten, spannen einen Bogen von ->Populous über ->Black&White bis jetzt. Auch in ->Black&White existierte kein moralisches Richtig oder Falsch: Hilfsbereite Götter profitierten davon, dass ihr Volk ihnen bei neuen Aufgaben vertraute und in neue Gebiete folgte; zornige Gottheiten scheuchten ihre Jünger mit Feuer und Blitzen nach Gutdünken vor sich her. Der Nachfolger ->Black&White 2 verschob den Schwerpunkt des Spielgeschehens und konzentrierte sich für meinen Geschmack zu sehr auf die Kämpfe zwischen verfeindeten Gottheiten und ihren Stämmen.

Der erste Teil ist jedoch eine der prägendsten Spielerfahrung meiner Spiele-Biographie. Einer der Clous dieses Spieles war nämlich der tierische Avatar: ein überdimensionales Säugetier überragte die Bewohner der Welt um ein Vielfaches und diente als verlängerter Arm des Spielers. Je nach Vorliebe des Spielers konnte ein Affe, eine Kuh oder ein Tiger gewählt werden, zu steuern aber war der Gigant nur indirekt. Theoretisch konnte man dieses Riesenmonster erziehen, als Handlanger die Lebewesen zu unterstützen oder zu terrorisieren, in der Praxis stellte der göttliche Stellvertreter jedoch selbst eine Herausforderung dar. Nicht einmal für Götter waren imstande, diese einfach zu beherrschen. Brachte man dem Gottesavatar bei, Dorfbewohner zu tragen, verspeiste er sie, noch bevor man einschreiten konnte. Hatte er gerade begriffen, dass er sein Geschäft auf die Felder der Jünger erledigen sollte, drehte er sich um, fraß die eigenen Abfallprodukte und litt schließlich herzergreifend an Magenschmerzen. Hach, Elternfreuden.

httpvh://youtu.be/edccqcxVJ_M
Eine Ahnung des ursprünglichen Spielerlebnisses gibt ein Let’s Play von Lionheads GodGame-Klassiker Black&White. (Black & White – Ep. 1 ‚A God is born‘ / Kanal Pauleh via Youtube)

Hier zeigt sich die eingangs erwähnte Diskrepanz zwischen den genialen Spielkonzepten aus der Feder des Meisters und der Praxis, in der sie als Spielmechanik dann eben doch nicht gut funktionierten. Auch die Ausrichtung des zweiten Teiles auf die Kämpfe zwischen Gottheiten und ihrem Gefolge hatte eine Unwucht. Als bösartiger, Feuerbälle wild um sich werfender Gott hatte man es viel zu einfach gegen diejenigen, die einem barmherzigen Pfad folgen wollten. Leider hat sich Molyneux damit in der Branche und bei Spielern auch einen legendären Ruf eingehandelt, viel zu viel zu versprechen. Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite verspricht er zu viel, und zwar so gut, wie immer. Ich unterstelle ihm aber keine Berechnung, sondern sehe die Schuld daran in einer kindlichen Begeisterung, mit der er Videospiele atmet. Denn auf der anderen Seite reicht seine Begeisterung eben auch weiter als jeder Milestone eines Produktionsprozesses. Das ist mir immer noch sehr viel lieber als die Retortendesigner eines ->Call of Duty. In meiner Welt jedenfalls steht Molyneux daher sehr viel weiter aufseiten des Lichts als in der Dunkelheit, in der andere ihn sehen.

Der neue Gott

Umso bedauerlicher ist der klägliche Eindruck, den ->Godus auf mich hinterlässt. Der Grund dafür liegt jedoch nicht darin, das dem Spiel ein putziges Affenvieh fehlt. Obwohl ich mich über ein neues, dusseliges Riesentamagotchi gefreut hätte. Vielmehr ist die grundlegende Spielmechanik viel zu repetitiv und zumindest am Anfang zu aggressiv auf den Echtgeldshop ausgerichtet. Später dagegen schwimmt man in Ressourcen, kann damit jedoch kaum etwas anfangen. Zudem sind – zumindest zum bisherigen Stand der Entwicklung – wieder nicht alle Versprechen eingehalten worden.

Dabei ist das Spielprinzip wirklich erfrischend und putzig anzuschauen und – im Sektor der Mobilspiele entscheidend – sehr schnell zu verstehen. Anfangs warten ein paar hilflose Figuren am Strand einer pastellig bunten Landschaft auf die Taten des Spielers. Sie kommen von einer Sandbank nicht hinüber auf das feste Land, was die Spieler bereits in den ersten Sekunden mit dem Kernfeature von ->Godus konfrontiert. Um eine Verbindung herzustellen, über welche die kleinen Jünger in spe das rettende Festland erreichen können, wird der Finger auf das Touch-Display des Smartphones oder Tablet gelegt. Entlang von Höhenlinien kann nun die Landschaft verformt werden. Man zieht also den rettenden Sandstrand vor die Füße der Schützlinge, die jubelnd an Land laufen. Dieses komfortable Feature bestimmt die Hauptaktivität in der Spielwelt und funktioniert nach einer kurzen Eingewöhnung recht passabel.

Mit dem Finger wischt der Spieler Stück für Stück die Landschaft in die Ebene, um Platz für Wohnraum zu schaffen. (Abb. eigene Screenshots)
Mit dem Finger wischt der Spieler Stück für Stück die Landschaft in die Ebene, um Platz für Wohnraum zu schaffen. (Abb. eigene Screenshots)

Ist nun das Festland erreicht, sind die hügeligen Landschaften noch nicht reif, um besiedelt zu werden. Die Gebäude benötigen ebene Flächen, die zu anfang noch recht klein sein dürfen, später jedoch große Anwesen aufnehmen müssen. Denn nur in solchen Häusern mögen die kleinen Lebewesen auch beten und produzieren rosa Blasen an Glaubenskraft. Je größer und massiver eine Behausung umso mehr. Vermutlich fühlen sie sich dann geborgener. Also planiert ein Gott vorwiegend die Landschaft um Wohnraum zu schaffen.

Damit es nicht bei immer denselben Holzhütten bleibt, können Häuser mit entsprechender Glaubenskraft zu speziellen Siedlungen konzentriert werden. So entstehen Bauernhöfe, um die Felder gesät werden können, oder Siedlungen für die Erzverarbeitung. Die produzieren nicht nur deutlich mehr Glaubensblasen, die Anzahl von Feldern oder Minen schaltet auch Sammelkarten frei. Diese Siedlungen konzentrieren auch mehr Gläubige auf engeren Raum. Da auch das Wachstum der Bevölkerung neue Karten aufdeckt, ist dies sehr hilfreich. Solche Sammelkarten erlauben größere Gebäude, statten den Spieler mit strafenden oder fördernden Fähigkeiten aus oder verbessern das Terraforming.

Die gebirgige Wildnis macht den Gläubigen angst. Also heißt es: den Finger gezückt und losplaniert. (Abb.: eigener Screenshot)
Die gebirgige Wildnis macht den Gläubigen Angst. Also heißt es: den Finger gezückt und losplaniert. (Abb.: eigener Screenshot)

Mit diesen neuen göttlichen Fertigkeiten kann das Siedlungsgebiet erweitert werden. Dort gibt es jedoch, gemessen an seiner Größe nur relativ wenig zu entdecken, sieht man einmal von weiteren pittoresquen Landschaftsformationen ab. Trägt man nach und nach Gebirge ab – denn die Gläubigen mögen keine unwirtliche Wildnis – kommen darunter gelegentlich auch Schatztempel zum Vorschein. Arbeiter, die der Spielergott dorthin beordert, können in Zeiträumen von wenigen Stunden bis Tagen die Tempel erkunden, was zu einem Schatzfund führt. Das ist leider auch schon alles. Stößt das Siedlungsgebiet an seine Grenzen, beziehungsweise die Reichweite des Gottes an die seinen, können Gläubige zu Leuchtfeuern entsandt werden. Arbeiten diese fleißig einige Zeit daran, so erweitert sich das Einflussgebiet. Ein wenig lästig ist, dass die Zeit ständig anwächst, die benötigt wird, um ein solches Leuchtfeuer zu entzünden. Da ich ->Godus nun etwa zwei Monate immer mal für eine Stunde am Tag spiele, hat mein Einflussgebiet eine Größe erreicht, mit der diese Frist bereits auf mehrere Tage anwächst. Das ist einfach nur noch nervtötend.

Leuchtfeuer eröffnen neue Siedlungsgebiete, erfordern aber auch zahlreiche Arbeitskräfte und gerade im späteren Spielverlauf enorm lange Zeit. (Abb. eigener Screenshot)
Leuchtfeuer eröffnen neue Siedlungsgebiete, erfordern aber auch zahlreiche Arbeitskräfte und gerade im späteren Spielverlauf enorm lange Zeit. (Abb. eigener Screenshot)

In der Wartezeit aber können Spieler auch über einen kleinen Hafen zu Abenteuern aufbrechen. Auf der Schiffsreise dockt der Segler an verschiedenen Inseln an, auf denen moderate, gelegentlich auch kniffelige Rätsel gelöst werden müssen. Erst bei einem Erfolg erhält der Spieler Karten oder Ressourcen als Belohnung, darf aber auch dann erst weiter reisen. Das ist problematisch, sobald man nicht auf die richtige Lösung kommt, aber immerhin doch ein erfreulicher Lichtblick in einem großen Meer an Monotonie.

Der geringe Anspruch des Spieles könnte auch daran liegen, dass ich versehentlich einen Meteor nach den Nachbarn warf. Hier erreicht meine Siedlung die ausgestorbene Nachbarstadt. (Abb.: eigener Screenshot)
Der geringe Anspruch des Spieles könnte auch daran liegen, dass ich versehentlich einen Meteor nach den Nachbarn warf. Hier erreicht meine Siedlung die ausgestorbene Nachbarstadt. (Abb.: eigener Screenshot)

Denn, so sehr ich Molyneux schätze, ist es genau das, was ->Godus ausstrahlt. Zwar macht mir schon die meditative Landschafts- und Gartengestaltung Freude und wirkt geradezu beruhigend. Doch fragt man sich nun nach einigen Wochen schon, wozu man sich ausbreiten soll. Was, außer der Ausbreitung und dem Terraforming an sich, ist der Sinn hinter allen Aktivitäten? Was tue ich hier eigentlich? Ich stieß nicht auf spannende Gegner, irgendwelche besonderen Ereignisse oder packende Herausforderungen. Obwohl das auch daran liegen kann, dass ich relativ früh mit einem fehlgeleiteten Meteoritenschlag das Volk von der Karte fegte, welches das Spiel automatisch als erste Nachbarn einführt. Selbst die eigentlich ganz unterhaltsamen Herausforderung der obigen Überseereise enden unspektakulär. Fortsetzungen? Fehlanzeige.

Das Spiel dümpelt einfach so vor sich hin. Das ist umso ärgerlicher, wie ich finde, weil nur durch ein paar Zutaten mehr ein aufregendes Spielerlebnis hätte entstehen können. Dabei schwimme ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Rohstoffen. Eine vollständige Ernte an Glaubenskraft liegt nunmehr im mittleren sechsstelligen (!) Bereich, wohingegen man zu Anfang noch froh war, bloß ein paar Dutzend Glaubenspunkte zu erreichen. Die Felder und Minen, die erforderlich sind, um neue Sammelkarten freizuschalten, produzieren üppige Mengen an Getreide und Erz – allein: ich kann sie für nichts ausgeben. In seinem jetzigen Zustand ist die Göttersimulation nur eine Landschaftsdemo mit einem besonderen Steuerungskniff in Form der Manipulation auf dem Touchdisplay. Und deren Spielerlebnis ist auch noch schlecht ausbalanciert – anfänglich stockend und später anspruchslos.

Götzendienst

Nun wäre ->Godus kein typisches Free-To-Play-Spiel, wenn der spielerische Fortschritt ohne angezogene Handbremsen auskäme. Hier liegt ja gerade das Geschäftsmodell hinter einem Spiel, das zumindest für die mobilen Plattformen zurecht als kostenlos beworben wird. ->Godus aber bringt einem dieses Geschäft nicht gerade schonend bei.

Ein typischer Ingame-Shop, dessen Preise sich gewaschen haben. (Abb. eigener Screenshot)
Ein typischer Ingame-Shop, dessen Preise sich gewaschen haben. (Abb. eigener Screenshot)

Oben wurden bereits die enormen Wartenzeiten erwähnt, die auftreten, wenn man neue Gebiete erschließen oder Schatztempel erkunden will. Gegen Diamanten, die bei der Ausgrabung in Schatztempeln entdeckt werden oder in Truhen auf der Spielwelt verteilt sind, kann diese Wartezeit verkürzt werden. Diese Edelsteine sind wichtig, um weitere Funktionen des Spieles wahrnehmen zu können oder bestimmte Gebäude zu errichten. Denn die können beispielsweise die Effizienz von Einwohnern erhöhen oder sie belastbarer machen. Die Klunker sind sehr rar gesät, können jedoch gegen harte Währung im Shop eingekauft werden, der in das Spiel integriert ist. Das bedeutet zum Beispiel, dass ein Bauer für einen Diamanten schneller ausgebildet wird, ohne das ein Spieler auf seine Ankunft lange warten muss. Auch auf das oben genannte Leuchtfeuer müsste ich natürlich nicht sechs Tage in Echtzeit warten. Natürlich könnte ich dafür auch 88 Juwelen aufwenden. Dieser Spielschritt kostet jedoch umgerechnet schon knapp 8,40€. Das ist deutlich zu viel – bedenkt man, an wie vielen Stellen des Spieles solche Boosts zu verwenden wären, um ein halbwegs flüssiges Spielerlebnis zu erzeugen. Die Diamanten können obendrein nur in vorgefertigten Paketen gekauft werden. Es müssen also immer mehr gekauft werden, als es wirklich nötig wäre.

Ausgebuddelte Schatzkisten enthalten selten Diamanten, viel häufiger für den Fortschritt wichtige Klebeabzeichen. (Abb. eigener Screenshot)
Ausgebuddelte Schatzkisten enthalten selten Diamanten, viel häufiger für den Fortschritt wichtige Klebeabzeichen. (Abb. eigener Screenshot)

Das Spielprinzip wirft Spielern jedoch noch mehr Knüppel zwischen die Beine. Diamanten findet man gelegentlich in Truhen oder Fässern, die in der Landschaft stehen. Oft, gerade später, im Spielverlauf befinden sich diese unter Bergen begraben oder in tieferen Wasserschichten, die erst einmal bewegt werden wollen. In den Kästchen befinden sich jedoch weit häufiger sogenannte Sticker, die nötig sind, um die oben erwähnten Sammelkarten für das Spiel zu aktivieren. Um das noch einmal deutlich hervorzuheben: Nicht nur, dass die Sammelkarten mit dem Spielfortschritt freigeschaltet werden müssen, sie sind selbst dann noch nicht verwendbar. Erst durch den Einsatz dieser Sticker werden sie nach und nach aktiviert. Diese Freischaltung kann sehr lange dauern und verschlingt manchmal ein Dutzend der Aufkleber. Für die benötigte Menge sind die Klebebildchen aber unterproportional selten in der Landschaft verteilt. So drängt das Spiel seine Götter auch hier mit dem Holzhammer in den Echtgeldshop. Denn – natürlich – sind die Sticker für Diamanten erhältlich. Sie unterscheiden sich zudem nach Segmenten wie soziale Fähigkeiten (rosa Köpfchen) oder Fortschritt (grüne Schraubenschlüssel). Wer jetzt also gehofft hat, dass diese Sticker dann wenigstens gezielt angeschafft werden könnten, den muss ich enttäuschen. Auch hier können nur geschlossene Sammelpakete gekauft werden, deren Inhalt zuvor nicht einsehbar ist. Auf diese Weise kann es sich hinziehen, die Karten freizuschalten.

Bis höhere Karten durch Sammelsticker freigespielt sind, kann einige Zeit vergehen. (Abb. eigener Screenshot)
Bis höhere Karten durch Sammelsticker freigespielt sind, kann einige Zeit vergehen. (Abb. eigener Screenshot)

Unter diesem massiven Druck, eigentlich mehr im Echtgeldshop zu spielen als in der Spielwelt, leidet das gesamte Spiel. Zumal es obendrein noch so ist, dass sich die Herausforderung des Spieles in keiner Weise fortentwickelt. Hat man die Abenteuerreise zur See abgeschlossen, folgt nichts. Sind die größeren Anwesen errichtet, die man freigeschaltet hat, erhält man zwar mehr und mehr Glaubenspunkte – und kann doch nichts mehr damit anfangen, als weiter in der Landschaft herumzuformen. Viele der Fähigkeiten sind nutzlos, weil sie die Gläubigen zu sehr belasten. Es ist wirklich sehr bedauerlich, wie sich dieses Spiel beim Nachbohren zeigt.

Ich sehe keinen Grund, warum ich im fortgeschrittenen Spiel etwas kaufen sollte, weil ich in Erzen, Getreide und Glaubenskraft ertrinke. Hätte ich doch nur Möglichkeiten, mit neu erworbenen Fähigkeiten eindrucksvolle göttliche Mächte zu entfesseln, dramatische Ereignisse durch Terraforming zu bekämpfen oder an packenden Abenteuern meiner Schützlinge teilzuhaben. Habe ich aber nicht. Am Ende der ersten Welt stellen die Jünger lediglich eine Arche wieder her, die sie in einen neuen Kontinent führt. Dort geht das Spiel in derselben Weise weiter wie zuvor. Vor einer geraumen Weile habe ich von dem pseudopolynesichen Urzeitspiel ->From Dust für die ->Playstation 3 berichtet, das wesentlich fesselnder versteht, Spielidee, Spielmechanik und Gläubige zu verbinden (siehe NEWS: „From Dust“ till Dawn vom 16. November 2010). Mir ist schleierhaft, wie Molyneux als einem der größten Designer der Videospielebranche ein Spiel so sehr entgleiten konnte wie ->Godus.

Wegen der mangelhaften Spielmechanik entfällt für mich auch der ursprüngliche Plan, Stellung zur Rolle von Göttlichkeit in dem Spiel und dem Genre aus historischer Perspektive zu nehmen. Dazu gibt ->Godus leider viel zu wenig her. Grundsätzlich dürfte es nämlich schon interessant sein, einen Blick auf die religiösen Vorstellungen und die Handlungsfreiheit von Göttern in den God Games zu werfen. Nur werde ich dieses Vorhaben wohl an anderer Stelle realisieren müssen. Vielleicht folgt dies anhand einer ausführlichen Besprechung von ->Black&White in einem RETRO-Special. ->Godus jedenfalls hat den Weg vom Gott zur Dirne beschritten: Das Spiel versteift sich so sehr auf Bezahlmechanismen, dass es kaum noch göttliche Momente bietet. Im Grunde geht man nicht zu weit, wenn man es so formuliert, dass es die großen Vorgänger des Genres verriet.

Wer sich davon einen eigenen Eindruck machen will, kann dies auf verschiedene Arten tun. Erhältlich ist ->Godus in Googles ->Play Store für die ->Android-Plattform, bei ->iTunes für iOS und als ->Early Access Version auf der Plattform ->Steam. Dort kann es für Windows-PCs und für Apples Mac bezogen werden. Leider bedeutet der üppige Preis von ca. 20 € nicht, dass man hier von lästigen Prinzipien des Free-To-Play verschont bliebe, die das Spiel künstlich ausbremsen, um den Spielern den Klingelbeutel unter die Nase zu reiben.

Dabei hatte Molyneux doch so viel versprochen, als er ->Godus ankündigte. Die Tradtition von ->Populous sollte es wieder aufleben lassen, spannende Erlebnisse wie bei ->Black&White ermöglichen und ein innovatives Spielkonzept mit packenden Abenteuern verknüpfen. Gemessen an dem, was jetzt vorliegt, ist keines dieser Ziele erreicht worden. Es prallen also wieder großmeisterliche Visionen auf die Realitäten des Spieldesigns. Die alten Götter müssen bekloppt sein, wenn sie in diesem jüngsten Sproß ihresgleichen sehen.

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