NEWS: Ein Viertelpfund Gehacktes

In „Hack’n’Slash“ wird nicht der Gegner bekämpft, sondern sein Programm-Code

(PC | OS X | Linux )

Seit wenigen Jahren sprießen innovative Spieleideen in einem Maße aus dem Boden, dass der Vergleich mit Pilzen nach einem Sommerregen nicht übertrieben ist. Leider passt die Analogie auch aus einem anderen Grund sehr gut – nicht jeder Pilz schmeckt, mancher ist schwer verdaulich und andere wiederum schaden einem erheblich. Dies ist nicht allein ein Fehler der Independent-Szene, auf die viele der innovativen Ansätze zurückgehen. Vielmehr ruiniert das gegenwärtige Geschäftsgebaren von Entwicklern verschiedenster Größen auf vielen Vertriebsplattformen das Pilzgericht – wie zum Beispiel beim ->Early Access-Modell auf ->Steam. Und von diesem Süppchen bekommen vor allem die Spieler mit der groben Kelle eingeschenkt.

Auf dem Monitor eilt zum Beispiel in ->Hack’n’Slash von ->Double Fine eine kleine, elfenartige Figur mit einem völlig überdimensionierten Schwert durch eine Spielwelt, deren Optik wohlwollend als Retro bezeichnet werden könnte. Ist man kritischer eingestellt, hat man sich mittlerweile an dem x-ten Rogue-like mit veralteter Technik satt gesehen. Dieser Spieltyp ist nach seinem Urvater ->Rogue benannt (Der Link verweist auf den DOS-Port von 1983, spielbar online bei Archive.org). Neben sehr vielen anderen Spiele prägte dieser auch  ->Blizzards bekannte Spielereihe ->Diablo.

Ein Elfenmädchen, ein Schwert und jede Menge Hack - Hack'n'Slash versucht ein Genre neu zu definieren (Abb.: Titelbild offizielle Seite)
Ein Elfenmädchen, ein Schwert und jede Menge Hack – Hack’n’Slash versucht ein Genre neu zu definieren (Abb.: Titelbild offizielle Seite)

Natürlich haben solche retrospektiven Indie-Titel auch einen gewissen Charme, den ich ihnen besonders als Historiker nicht absprechen will. Bei all den Titeln dieser Gattung, die ich in den letzten Jahren gesehen und gespielt habe, muss ein Spiel aber schon mit etwas sehr Besonderem daherkommen, will es meine Aufmerksamkeit erobern. Zudem war es – das gebe ich ehrlich zu – auch nie so mein Genre.

->Double Fine gelang es aber stets mit faszinierenden Spielkonzepten, mich neu zu begeistern – und so ist es auch zunächst mit ->Hack’n’Slash. Denn das Spiel hat einen besonderen Twist. Dieses besondere Feature liegt in seiner Spielmechanik, hat mit einem Mädchen, einem Schwert und Hack zu tun und hätte eigentlich ein Meilenstein der Games-Geschichte werden können. Hätte…

Das Mädchen mit dem Hack

Das Elfenmädchen mit dem Schwert zerkloppt in ->Hack’n’Slash nämlich nicht einfach nur Gegner und verbessert die eigenen Fähigkeiten an irgendwelchen Kampfwerten, wie es auch in vielen anderen Rogue-ähnlichen Spielen üblich wäre. Die Klinge selbst ist es, die spielmechanisch im Mittelpunkt steht und deren Fähigkeiten sich verbessern. Zwar kann die Hauptfigur auch mit ihr zuschlagen, viel effektiver aber ist es, gleich den Programmcode des Gegners zu manipulieren. Ja, richtig gelesen, denn hier liegt das eigentlich Erwähnenswerte des Spiels.

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Einem völlig durchgeknallter Rap-Trailer mit erheblichem Fremdschäm-Potential zeigt die Kernfeatures des Spieles. (Hack ’n‘ Slash Early Access Launch Trailer / Kanal DoubleFineProd via Youtube)

Schlägt man einem Monster auf die Mütze, erscheint ein Menü, dass optisch an die frühe Version eines ->BIOS erinnert. Ein BIOS ist das Basic Input/Output System eines Personal Computers (PC) und hält die Grundeinstellungen des Rechners beim Systemstart fest. Im Kontext des Spieles wirkt diese Äußerlichkeit sehr stimmig. Hinter der Optik dagegen verbirgt sich die logische Struktur der Skriptsprache ->LUA, die vielfach bei der Spielentwicklung verwendet wird.

In dem optisch rudimentären Menü stehen nun einige Optionen zur Auswahl, je nachdem, welche Eigenschaften die gegnerische Programmroutine zuvor so zu bieten hatte. Außerdem erweitert sich das Können der kleinen Elfe mit dem Spielfortschritt. Da können Laufwege verändert, Lebenskraft oder Kampfstärke herabgesetzt oder auch komplexere Verhaltensmuster erzeugt werden. Wer nicht entdeckt werden will, reduziert den Sichtradius der Feinde. Sie haben zu viele Feinde? Dann lassen Sie einfach ein paar die Seiten wechseln und schon sieht die Lage anders aus. Monster, die eigentlich etwas Anderes beschützen, sorgen sich nach dem Ritterschlag mit dem Programmierknüppel auf einmal liebevoll um den Spieler.

Ein großartiges Spiel, nicht wahr? Wenn man die Idee wertet, stimmt das sicherlich. Allerdings macht eine gute Idee allein noch kein gutes Spiel. Sonderlich vielfältig ist der schwertgestützte Programmiereinsatz dann eben doch nicht und das Spielvergnügen nicht von allzu langer Dauer. Sieht man sich die Spieldauer an, welche bei den Namen der Forenbeiträger im ->Steam-Forum das persönliche Spielerlebnis angibt, lassen wir es im Schnitt rund 10 Stunden sein. Man könnte jetzt einwenden, dass auch große Produktionen manchmal (wie die ->Call of Duty– Reihe) kaum mehr an der Grenze von zehn Stunden Spieldauer kratzen. Das Kernfeature des Shooter-Genres ist jedoch der Mehrspielerpart, der hunderte von packenden und motivierenden Spielstunden eröffnet. Ganz ehrlich, wer spielt denn mittlerweile einen Shooter-Blockbuster noch wegen einer konsistenten Handlung? … Eben.

Das sieht bei „Rogue-likes“ nicht viel anders aus, selbst wenn hier vielleicht einige Derivate wie ->Diablo 3 mehr Wert auf eine komplexe Handlung legen – also, verhältnismäßig komplex. Im Vordergrund steht in den oft zufällig generierten Arealen der Spielwelt das sogenannte „Leveln und Looten„, also das stetige Ausbauen der Charakterfertigkeiten eines Avatars sowie das Sammeln von Gold und Gegenständen. Solche Objekte können Waffen sein oder magischer Schmuck. Ihre Kraft ist proportional zu ihrer Seltenheit, weshalb Spieler des Genres gewohnt sind, dass ihr Spielvergnügen deutlich länger dauert, als ->Hack’n’Slash es liefert.

Gehackt gelegt

Besonders pikant für einen Titel, der die Programmierung zu einem Kernfeature erhebt, ist, dass das Spiel unter groben Bugs leidet. Natürlich handelt es sich um die ->Early Access-Plattform von ->Steam, die Spielern zu einem sehr frühen Entwicklungstadium eines Spieles den Kauf ermöglicht, weshalb Fehler zu akzeptieren sind. Man kann aber als Entwickler zudem auch noch so tun, als wäre es gewollt, dass Spieler das Spiel zum Absturz bringen kann. Mir erscheint das jedoch fadenscheinig, weil es sehr bequem ist, alle Fehler als beabsichtigte Spielelemente darzustellen. Mir fehlt da der Glaube, besonders dann, wenn einem der Desktop entgegenstrahlt. So verabschiedet sich das Programm zum Beispiel auch dann, wenn man nicht die richtigen Objekte in der vorgesehenen Weise benutzt. Damit aber widerstrebt das Rätseldesign der großen Hackingfreiheit zu sehr. Wie soll es Spaß machen, immer neu zu starten, bis man den Intentionen der Entwickler für eine Aufgabe auf die Schliche gekommen ist.

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Für das Netzwerk IGN diskutiert der Tester Richard Cobbet die Stärken und Schwächen des Spieles und zeigt weitere Beispiele für das Gameplay. (Hack ’n‘ Slash Review Commentary / Kanal IGN via Youtube)

Dass der Schwierigkeitsgrad zwischen Teekränzchen und Weltuntergang schwankt, ist auch ein Makel des Spieles. Oft liegt es daran, dass schlicht nicht einmal angedeutet wird, was in einem Gebiet überhaupt zu tun ist. Gelegentlich fragt man sich aber, ob nicht ein Informatikstudium vor dem Spielgenuss empfehlenswert wäre, weil sich einem Laien das Verständnis der Programmier-Begriffe und ihres Zusammenwirkens nur schwer erschließt. Das hinterlässt den Standardspieler eher ratlos. (Es sei denn, man beabsichtigt ohnehin, sich eine Programmiersprache anzulernen.) Die Logik einer solchen Sprache wird – soweit ich das beurteilen kann – plausibel umgesetzt. Einer der Nutzer im Steam-Forum fürchtet allerdings, dass die offenbar genutzte Sprache ->LUA sogar sicherheitsrelevante Probleme für den Spielerrechner aufwerfen könnte, weil die Spieler von ->Hack’n’Slash quasi am offenen Herzen des Programms operieren würden. Das halte ich für nicht abwegig und daher bedenkenswert, habe aber von den Entwicklern keine Stellungnahme dazu gefunden.

Angesichts der hervorragenden Idee hinter ->Hack’n’Slash ist die hier geschilderte mangelhafte Ausführung sehr bedauerlich. Liest man sich die positiven Kommentare im Forum bei ->Steam durch, warnen selbst deren Verfasser davor, das Spiel zu kaufen, wenn man keine Erfahrung mit dem Programmieren hat. Das schränkt den Kundenkreis dann doch geringfügig ein. Ich bedaure sehr, dass es den Entwicklern nicht gelingt, die cleveren Konzepte in eine tragfähige Spielerfahrung für viele Spieler umzumünzen. Natürlich ist es eine interessante neue Spielerfahrung, das Gameplay aus der Perspektive eines Programmierers zu lenken, aber sie ist keine 13 Euro wert. Jedenfalls nicht in diesem Zustand.

Da bieten andere Spiele zum gleichen Preis mehr Spielspaß bei ähnlich innovativen Ideen. Mit den mentalreisenden ->Psychonauts, der Rocker-Homage ->Brütal Legend oder dem Matroschka-Taktik-Spiel ->Stacking finden sich Alternativen sogar beim Entwickler ->Double Fine selbst. Sie erhalten dort deutlich mehr für weniger Geld. Ruft ->Steam allerdings mal wieder einen saisonalen Rabattverkauf aus, halten Sie die Augen offen: Dann kann es sich lohnen, bei ->Hack’n’Slash zuzuschlagen und herauszufinden, wie weit (man) das Gameplay (er)trägt.

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