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KOMMENTAR: Ein Schritt voran muss kein Fortschritt sein

Einen Beitrag des Magazins ‚frontal_‘ zu radikalen Spielerkreisen rettet nicht einmal der mächtigste Kulturwissenschaftler

Eigentlich, so sollte man meinen, schuf die letzte Dekade ein ernsthaftes Umfeld, in dem auch kritische Themen der Spielkultur journalistisch klug behandelt werden könnten. So zum Beispiel müssten tatsächlich rechtspopulistische und -extremistische Einflüsse auf Online-Communities dringend mal auf die Tagesordnung. Da geschieht einiges, was neben der Staatsanwaltschaft weder die historisch-politische Bildung, noch die Spielenden selbst hinnehmen können.

frontal_, das betont junge Youtube-Format des ZDF-Magazins Frontal 21 nahm sich dieses hochaktuellen Themas an. Fast eine Viertelstunde lang nähert sich die Redaktion in einer Reportage den Aktivitäten von Rechtsradikalen: Erläutert werden deren Versuche, Einfluss in den Communities von Spielenden zu gewinnen. Sie zeigen beunruhigend ausgefeilte Aktivitäten der Identitären, subversiv für ihre hasserfüllte Geisteshaltung zu rekrutieren. Der Bericht knüpft an die Auseinandersetzungen beim sogenannten „GamerGate“ von 2014 an und weist auf Überlappungen von rechtsextremen Kreisen mit Spielergemeinschaften hin.

Spielerinnen und Spieler reden viel zu häufig das Problem mit rechten Haltungen klein. In diesem Fall aber liegt das gravierendste Problem im Beitrag selbst. (Nazi Gamer? Wie Rechte die Gaming-Kultur unterwandern | frontal_ in Kanal: ZDFheute Nachrichten vom 19.11.2020)

Dafür suchte sich die Redaktion sogar fachlich geeignete Gesprächspartner:innen – ungewohnt, aber erfreulich, wenn man mit der Vorgeschichte zu Frontal 21 und digitalen Spielen aus der „Killerspiel-Debatte“ vertraut ist. Trotz der hervorragenden Auswahl von Gesprächspartner:innen geht der Reportage aber zuerst jeder Kompass einer sauberen journalistischen Arbeitsweise verloren – und dann versinkt sie zusammen mit der Ernsthaftigkeit in einem betont poppigen Reportagestil. So sieht eine erfolgreiche Formatverjüngung schon einmal nicht aus.

Wie selbstverständlich räumt die Redaktion den identitären Agitatoren selbst erhebliche Sendezeit ein. Die Zeit hätte man besser verwenden können, und zwar nicht zuletzt, weil der Beitrag mit einer offenen Frage endet: Müssten sich nicht die Gaming-Communities selbst stärker gegen rechtsextreme Aktivitäten organisieren und wehren? Diese These überrascht etwas, denn es existiert nicht nur bereits mit dem Zusammenschluss „Keinen Pixel den Faschisten“ eine solche deutschsprachige Community-Aktion. Es ist auch keineswegs so, dass sich die Redaktion dessen nicht bewusst gewesen wäre: Mitglieder eben dieser Community unterstützten frontal_ bei der Recherche für diesen Beitrag.

Den Dimensionen der wirklich existenten Probleme in der Spielkultur, die ich hier keineswegs kleinrede, leistet das ZDF damit zum wiederholten Male einen Bärendienst. Eine ganze Kaskade an Kommentaren unter dem bei Youtube eingestellten Beitrag belegt, wie unvorteilhaft der Beitrag in der Sache war. Ein öffentlicher Bildungsauftrag muss nach meiner Ansicht anders aussehen…

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NEWS: Nur der halbe Widerstand

Das Addon „La Résistance“ erweitert ‚Hearts of Iron IV‘ um Agenten und Widerstandskämpfer – schlingert dabei aber im Fahrwasser der eigenen Spielmechanik

Berühmt, und zugleich berüchtigt, teilen sich die Meinungen über das Globalstrategiespiel ->Hearts of Iron IV. Zum Zweiten Weltkrieg bietet ->Paradox Interactive wohl das komplexestes Zusammenspiel von Systemen in einer Weltkriegssimulation, die sich überhaupt auf dem Markt befindet. Auf einer strategischen Karte des gesamten Globus, nehmen die Spielenden das Schicksal eines beliebigen Staates in die Hand. Sie entscheiden, ob sie in die militärischen Auseinandersetzungen eingreifen. Oder ob sie sich gar mithilfe von Diplomatie und Bündnispolitik versuchen, aus dem globalen Krieg herauszuhalten. Im Gegensatz zu den Vorgängern verläuft der Krieg zudem sehr viel offener.

Der Ankündigungstrailer betont 2019 den französichen Widerstand gegen die deutschen Besatzer, allerdings lassen sich die Mechaniken auch in anderen Konstellation anwenden – etwa im faschistischen Spanien unter General Franco. (Video: Hearts of Iron: La Resistance – Announcement Trailer #PDXCON2019, in: Kanal Paradox Interactive via Youtube, 19.10.2019)

Am 25. Februar nun erscheint mit ->“La Résistance“ eine Erweiterung, die Agenten, Widerstand und Besatzungsmechaniken hinzufügt. Sie schraubt damit die Komplexität der ohnehin schon schwierigen spielmechanischen Systeme noch weiter nach oben. So erlaubt die Ergänzung heimliche Maneuver mit Agenten bei gegnerischen Staaten auszuführen, mit Besatzern zu kollaborieren und Maßnahmen aus Besatzersicht, um Gebiete zu sichern. Im Laufe der Zeit können Spielende sich an historischen Vorbildern von Geheimdiensten versuchen. Sie können einen individuellen Spähverein aber auch nach eigenen Vorstellungen aufbauen.

Das Hauptspiel wird von den Einen für seine strategische Komplexität gerühmt, die unterschiedliche Spielweisen ermöglicht. Für die anderen erscheint die Reihe Hearts of Iron wegen des vermittelten Geschichtsbildes eher berüchtigt. Widerstand und Geheimoperationen bergen für diese Zeit erhebliche historische Herausforderungen, will man sie in einem Spiel umsetzen. Kollaboration und Partisanen, Widerstandskämpfer und feindliche Agenten definierten und behandelten die Kriegsparteien alle sehr unterschiedlich. Etwa faschistischen Deutungen sollte ein solches Addon besser nicht auf den Leim gehen…

Der spanische Bürgerkrieg bietet als Szenario wohlüberlegte Entwicklungspfade – von Faschisten über Royalisten hin zu Republikanern bis hin zu Kommunisten. Gleichwohl abstrahiert die Spielperspektive die katastrophalen Wirkungen auf die Menschen zu technischen und statistischen Entscheidungen. (Hearts of Iron IV – La Resistance – Spanish Civil War – Part 1, in Kanal: Paradox Grand Strategy via Youtube, 27.1.2020)

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