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KOMMENTAR: Die Mauer in den Köpfen

Sein Serious Game „1378km“ zur innerdeutschen Grenze bringt Medienstudenten Jens Stober vor den Staatsanwalt

Auf 1378 Kilometern spannte sich einst ein Vernichtungsapparat quer durch Deutschland, der als Teil des „Eisernen Vorhangs“ zwischen sowjetischer und westlicher Machsphäre einen gewaltigen Teil der Deutschen in einem repressiven Gewaltstaat einpferchte. Schon zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer scheint jedoch in vielen Köpfen die Erinnerung an die Umenschlichkeit dieses Bauwerks zu verblassen. Noch immer hält sich zudem in linken Kreisen hartnäckig das aberwitzige Mentalkonstrukt eines „antifaschistischen Schutzwalles“ als apologetische Verniedlichung einer Vernichtungszone, auch wenn dort die Machthaber der DDR Gräueltaten befahlen, welche schlichte Grenzsoldaten ausführen sollten.


1378km langes Unrecht

Vielleicht gerade weil es heute denjenigen, die nach der Zeit des Kalten Krieges geboren wurden, schwerfällt, solche Absurditäten in der deutschen Geschichte nachzuempfinden, verblasst die Erinnerung. So hat sich ->Jens Stober, ein Student für Medienkunst an der Karlsruher Hochschule für Gestaltung (HfG), ein hehres Ziel gesetzt. Deutsche Geschichtsaufarbeitung soll in Kreise getragen werden, die mit herkömmlichen Methoden eher nicht erreicht werden. In einem Serious Game, das mit der sogenannten ->Source-Engine die innere Technik des Shooters ->Half-Life 2 verwendet, sollten Videospieler selbst erfahren können, in welcher menschenverachtenden Grausamkeit sich die deutsche Geschichte an der innerdeutschen Grenze manifestierte.

In dem kostenlosen „Spiel“, das mit dem Titel  „1378km“ die Länge der innerdeutschen Grenze aufgreift, können die Nutzer sich im Jahr 1976 für die Seite der Flüchtlinge entscheiden oder als Grenzsoldat die Wache auf dem Turm übernehmen. Erstere versuchen die Flucht, letztere können auf die Flüchtenden anlegen. Tödliche Treffer jedoch führen den Schützen nicht zu ruhmreichen Ehren durch die Partei, sondern mit einem Zeitsprung in seinen eigenen virtuellen Mauerprozess im Jahr 2000, in dem er sich für seine Taten verantworten muss.

Indes gedankt wurde ihm diese  innovative Geschichtsaufarbeitung nicht – reflexartig stimmten vergleichbare Sänger aus Politik und Bildung wie bei den unsäglichen Killerspiel-Debatten in das Lamento ein, das  Spiel sei „geschmacklos und dumm“ (Gesine Lötzsch, Die Linke), „makaber und skandalös“ (Markus Meckel, SPD) sowie „eine Verhöhnung der Opfer“ (Helmut Rau, Medienminister der CDU in Baden-Württeemberg ). Nun droht dem Studenten und seinem Projekt sogar eine Strafverfolgung wegen Gewaltverherrlichung.

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KOMMENTAR: „Professor Daddel“

Hamburger Morgenpost verkennt die Bedeutung der Spielebranche

Endlich studieren auf Weltniveau ohne reiche Eltern

Als die Zeitung am 11. August 2009 einen Beitrag über den lange geforderten Studiengang „Sound, Vision, Games“ an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg veröffentlicht, ist die Freude zunächst groß.  Professor Gunther Rehfeld und seine Kollegen haben diesen Studiengang, der in Deutschland an einer staatlichen Hochschule bislang vergeblich seinesgleichen sucht, entgegen vieler Widerstände endlich etablieren können. Die Berichterstattung der MoPo-Redakteurin Simone Pauls über dieses Ereignis offenbart jedoch, wie viel Arbeit noch bevorsteht, um die Ernsthaftigkeit der Branche und damit auch ihre wirtschaftliche und wissenschaftlichen Bedeutung der Bevölkerung näher zu bringen.

Angesichts mehr als 300 offener Stellen allein in der hamburger Videospiele-Branche, die aus Mangel an qualifiziertem Personal nicht besetzt werden können, war der Schritt zu dem Studiengang nötig und längst überfällig. Für den Anfang lernen 20 Studenten in diesem Studiengang , wie man ein Computerspiel designt und entwickelt. Sie werden in beriebswirtschaftliche und projektplanerische Elemente eingewiesen und erhalten methodischen Unterricht und Lektionen über Spieltheorie.

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Abb: Professor Daddels ulkige Wachstumsbranche

Besonders erfreulich ist damit auch, dass sich für den Nachwuchs aus finanzell nicht übermäßig betuchten Familien endlich der Weg in diese zukunftsträchtige Branche öffnet. Zwar haben sich schon länger Bildungsinstitute in Deutschland etabliert, die in verschiedenen Ausbildungsgängen in die Gamesbranche führen. Allerdings werden für dortige Studenten horrende Gebühren verlangt, die nicht jeder mal so eben aus dem Sparbuch zauben kann. Der Studiengang ist zudem von der Stadt Hamburg im Rahmen der gamecity.hamburg mit 450.000 Euro angeschoben worden –  eine erhebliche Summe, die auch nötig ist, um mit der besten Technik arbeiten zu können. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise ist dies ein wertvolles Signal, dass die Stadt die Wichtigkeit dieser Branche erkennt und gleichzeitig Talente fördern will, die zuvor durch Papis mauen Geldbeutel vor der Tür stehen bleiben mussten.

Nachrichten aus dem Gestern

Die Diskrepanz allerdings zwischen der Bedeutung des Ereignisses und dem unterschwellig verächtlichen Ton der Zeitungsmeldung könnte größer nicht sein. Die Berichterstattung durch die Redakteurin Simone Pauls weist damit auf ein allgemeines gesellschaftliches Problem hin. Videospiele und die professionelle Beschäftigung mit ihnen in Forschung und Wirtschaft mögen vielleicht nicht mehr das Image von pickligen Einzelgängern im abgedunkelten Keller haben. Ernst genommen wird dieser gigantische Wirtschaftsfaktor immer noch nicht – seltsam, wo die Branche mittlerweile doch mehr umsetzt, als die Filmindustrie und in wenigen Jahren mehr als Musik- und Film-Industrie zusammen umsetzen wird.

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