KOMMENTAR: Krieg auf allen Kanälen

„Mass Effect 3“ setzt neue Maßstäbe im Cross-Platform-Gaming

Im Laufe der Geschichte von digitalen Games haben Spieler schon allerhand Kämpfe ausgetragen. Ob nun in Azeroth, dem frühneuzeitlichen Japan oder auf der Zerg-Heimatwelt, immer waren sie an ein und demselben Bildschirm gefesselt, um ihre Truppen in den Kampf und mit rasendem Herzschlag hoffentlich zum Sieg zu führen. An nur einem Rechner, mit nur einem Krieg war man meist schon gut ausgelastet.

Mass Effect 3 wird sich durch mehrere Plattformen ziehen
Der Multiplayer "Galaxy at War" eröffnet Überraschungen

Das schickt sich nun ->Bioware an, mit dem neuesten und letzten Teil der –>Mass Effect-Trilogie zu ändern. Mit dem PC, Konsolen, Facebook, iPad und iPhone gleichzeitig, auf mehreren Plattformen soll der letzte Kampf des Helden, Commander Shepard, gegen die Invasion der überlegenen Reaper toben. Erfolge auf der einen Spielplattform beeinflussen die Siegchancen auf den anderen. Damit versprechen die Entwickler nicht weniger, als die nächste traditionelle Barriere der Gamesbranche effektvoll einzureißen…

Historischer Feldzug

Schon in den zurückliegenden Episoden hatten die Entwickler bei Bioware bewiesen, dass sie eine komplexe Handlung – jedenfalls gemessen am Medium Videospiel – mit individuellen Spielerentscheidungen zu verweben verstehen. Hinzu kam, dass der Spielstand am Ende des ersten Mass Effect in den zweiten Teil importiert werden konnte. So bestimmten die Handlungen im ersten Teil über die Savegames der Spieler die individuellen Erlebnisse in ->Mass Effect 2. Getötete Figuren erschienen dort nicht mehr als Mitstreiter oder Auftrageber, und auch Freund und Feind bestimmte die vorangegangene Spielweise in gewissen Grenzen. So resultiert für jeden Spieler ein individuelles Universum (Hierzu bald detaillierter ein Special, an dem KEIMLING schon länger arbeitet.)

Bleibt diesbezüglich auch bei ->Mass Effect 3 alles beim Alten, so fügt Bioware nun noch einen Kriegsverlauf über mehrere Plattformen hinzu. Eigentlich für den Multiplayermodus „Galaxy at War“ erdacht, führt das Prinzip der so getauften „Galaktischen Bereitschaft“ wesentliche Konsequenzen auch für den Einzelspielerpart ein.

Das individuelle Universum birgt für jeden Spieler ganz eigene Verbündete... und die sind nötig.

Verknüpft mit einem Biowarekonto kann ein Spieler auf PC, PS3, XBox, iPhone, iPad und Facebook die Bereitschaft der verschiedenen Völker in der Galaxis erhöhen, sich gegen die Reaper zur Wehr zu setzen. (siehe ->Bioware’s Mass Effect iOS Game is the Third-Person-Shooter Mass Effect Infiltrator, von Kirk Hamilton auf ->Kotaku.com, den 7.2.2012 und Philips, Tom: Mass Effect 3 Facebook App Rewards Xbox 360 Players, in ->Eurogamers.net, 3.2.2012) Bioware könnte angesichts dieser bahnbrechenden Innovation allerdings ruhig mutiger auftreten – dort wird man nicht müde zu betonen, dass alle Änderungen nur optional sein werden. Denkt man jedoch über das Feature nach, so hat es natürlich nachhaltige Folgen… und das ist keinesfalls bedauerlich.

Alliierte

Denn es sind Verbündete, die unsere Erde wirklich braucht. Durch die Zerstörung eines Reapers erweckte Shepard am Ende des ersten Abenteuers die Aufmerksamkeit dieses uralten Volkes, das in regelmäßigen Abständen in die Galaxis einfällt, um Lebewesen zu ernten. Zu Beginn von ->Mass Effect 3 starten die Invasoren mit der Erde ihre Vorspeise. Dass die Menschheit dies wohl nicht lange überstehen wird,machen die moluskenartigen Landungsschiffe durch brachialen Waffeneinsatz schnell deutlich.

Wir griffen nach den Sternen, jetzt greifen sie nach uns...
Wir griffen nach den Sternen, jetzt greifen sie nach uns...

Den Überlebenden bleibt nur, in der Galaxis nach Verbündeten zu suchen, um Entlastung durch weitere zu errichtende Fronten zu erlangen. Dumm nur, dass sich die meisten Völker die Frage stellen, warum sie ihre Planeten ausgerechnet zur Rettung der unliebsamen Menschheit in die Schusslinie manövrieren sollten. Shepard macht sich daher auf den Weg, Überzeugungsarbeit zu leisten.

Um eine breite Koalition gegen den Feind aufzubauen, kann der Spieler die Verteidigungsbereitschaft durch Missionen auf allen genannten Plattformen erhöhen. Bestätigt ist bislang, dass die Vollpreistitel auf PC und Konsole eingebunden werden, auf Facebook Schlachten zu schlagen sind und der Shooter ->Mass Effect 3: Infiltrator für Apples Produkte geplant ist. Setzt ein Spieler diese Plattformen alle oder zu Teilen ein, verschafft er Shepard handfeste Vorteile im großen Finalkampf um die Erde. Hierzu treiben seine Missionen den Feind in verschiedenen Regionen der Galaxis zurück, so dass bislang verängstigte oder feindselige Völker genötigt, ermutigt oder schlichtweg dankbar werden.

Die Reaper präsentieren der Menschheit die Endabrechnung - Verbündete sind entsprechend rar

Massenmobilmachung

Dass Bioware die Community mit den Plattformen übergreifend ins Spielgeschehen einbindet, ist nicht nur aus Sicht des Gameplays eine clevere Neuerung. Zumal man wirklich loben muss, dass diese Idee außerordentlich fair umgesetzt wird. So wird durch das Vermeiden mehrerer Plattformen Mass Effect 3 nicht unspielbar, auch wenn der Kampf auf beispielsweise nur dem PC schwerer wird. Die Leistungen in anderen Systemen sollen das Endspiel auf der Erde nur vereinfachen. Anzunehmen ist auch, dass sich dadurch auch die möglichen Enden ändern, schließlich plant Bioware davon dieses Mal acht Stück und ist beim Trilogiefinale nicht mehr auf Rücksicht wegen eines Nachfolgers angewiesen, der Folgen aus Entscheidungen berücksichtigt.

Aber auch aus geschäftlicher Sicht ist dieser Cross-Platform-Feldzug ein wahrer Coup, bindet die Idee doch die Fans der Serie in jedem Teilmedium an die Marke Mass Effect. Dabei ist die Community bei dieser Serie ohnehin schon hoch euphorisch, also geradezu prädestiniert, um rund um die Uhr im Spiel zu sein. Entscheidend aber wird sein, wie es Bioware gelingt, bei dieser großen Breite an technischer Inszenierung die Geschichten zu erzählen. Da seit dem zweiten Teil das Gameplay weder einen typischen Shootercharakter zeigt, noch tiefgehende Rollenspielanleihen, bleibt nur, weiter eine vielseitige, vielschichtige Erzählung zu liefern. Alles andere würde die Fans beider Lager vergrätzen. Hoffentlich bleibt diese Grundeigenschaft bei allem technischen Gedöns nicht auf der Strecke, wie bei der schlampigen Umsetzung des jüngsten Romans zur Serie. Dieser patzt bei zahlreichen Details des Universums. (siehe ->Nach Fehlerflut: Deception-Roman wird überarbeitet, von Thomas Held in Gamona.de, 4.2.2012)

Solch ein apokalyptischer Fehler wäre auch deswegen schade, weil Bioware mit der Reihe noch weitere Innovationen plant. Den Spielstand nach dem Finale des dritten Teils sollte man tunlichst aufbewahren. Auch wenn die Geschichte um Commander Shepard auserzählt sein wird, verlässt der Entwickler das Gold kalbende Universum nicht. Mit dem Savegame soll die persönliche DNA der Spielwelt auch in weitere Nachfolger einziehen können (->Mass Effect 3 – Lieber das Savegame aufheben, Interview von Daniel Feith mit Mark Gamble (Associate Producer bei Mass Effect 3), 3.2.2012).  Schon länger kursieren Gerüchte, Bioware arbeite an einem Mass Effect MMO. Das Spieluniversum würde sich doch bestens dafür eignen. Auf die Umsetzung dieser innovativen Idee darf angesichts vielfältiger Kombinationsmöglichkeiten aus den Erfahrungen der Spieler mit gespannter Vorfreude und Neugier gewartet werden. Es dürfte nicht einfach sein, eine solche Komplexität zu beherrschen. Ambitoniert ist als Bezeichnung für das Vorhaben wohl der richtige Ausdruck.

Das Cross-Platform Gaming von Mass Effect sollten sich auch andere Entwickler genau ansehen

Strategischer Vorteil

Bleibt nur die Frage, warum nicht mehr Entwickler das Cross-Platform-Gaming entdecken. Ohnehin verlagert sich doch eine wachsende Zahl von Menschen mit der alltäglichen Kommunikation auf den PC-gestützten Browser und Smartphones. Entgegen vieler landläufiger Meinungen dürften mittelfristig eher die Konsolen aussterben, weil sie nicht multifunktional sind.

Es sollte doch ein Leichtes sein, den Spielern beispielsweise bei der ->Anno-Reihe die Möglichkeit einzuräumen, ihren Spielstand des Aufbauspiels vom PC auf das Smartphone zu bringen, um dort mit abgespeckter Grafik die nächtliche Spielsession auf dem Weg zur Arbeit fortzusetzen. Warun kann man noch immer nicht, eine Partie ->Napoleon:Total War am Browser zumindest im Weltkartenmodus weiterplanen, wenn dieser vielleicht auch (noch) keine Echtzeitschlachten in 3D erlaubt?

Im nächsten Schritt müsste ein Spiel gestatten, im Multiplayer Spielern, die unterschiedliche Plattformen anbieten, gleichzeitig an derselben Kampagne zu kämpfen. Sicherlich ist letzteres noch technische Spinnerei, wenn es nicht einmal gelingt, bei einem Videogame wie beim Microsoft-Shooter ->Shadowrun den cross-platform Multiplayermodus vernünftig auszugestalten. Konsolenspieler konnten zwar mit PClern zusammen spielen, mussten aber das Gefühl haben, man habe ihnen die Hände an die Hüften getackert. Der Vorteil der Eingabegeräte lag unbestritten aufseiten der PCs.

Schlachten der Zukunft

Mit Mass Effect 3 wird Bioware hoffentlich einen lange überfälligen Trend begründen, der auch andere Publishern und Entwicklern endlich ermutigt die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Es genügt eben nicht mehr ->Facebook mit billigen Adgames zu schwemmen. Es reicht auch nicht das Web als schikanösen Gamestarter zu missbrauchen wie bei ->Battlefield 3. Dort hat es der Entwickler ->DICE verstanden, zugunsten einer trendigen Communityplattform im Web – was noch nicht mal grundsätzlich eine schlechte Idee ist – selbst die Grafikoptionen und die Änderung der Tastaturbelegung schwer erreichbar zu machen.

Als Spieler sollte man voller Vorfreude in die Zukunft sehen, wenn das Beispiel von Mass Effect 3 Schule macht. Sicher, Gamer müssten sich noch bewusster für ein Ende des Spielens entscheiden, was nicht jedem gelingen dürfte. Auch wird das Spiel kommen, welches durch das Nutzen mehrerer Plattformen handfeste spielerische Vorteile erlaubt und damit manchen zur Weißglut treiben wird. Letztlich aber werden Spielmechaniken, Spielansätze und sogar Interfaces von den neuen Impulsen profitieren. Außdem bringt Cross-Platform-Gaming bislang getrennte Communities wieder zusammen. Eine stärkere Marktmacht entsteht. Wer da noch schreit, er wolle aber lieber nur an seinem heimischen Rechner für sich allein spielen, der kann das ja weiterhin tun. Allerdings ist er dann auch selbst schuld, wenn ihm wachsende Anteile des Gameplays und damit des Spielspaßes entgehen.

Kriegsgräuel

Eines aber hat KEIMLING noch in eigener Sache zu bemäkeln. Bei der schönen neuen Smartphonewelt müssen Nutzer der ->Android-Betriebssysteme bislang draußen bleiben. Der Kampf gegen die Reaper tobt bei Handhelds nur auf ->Apples Systemen. Wer deren technisches Niveau nicht leiden kann, hat wohl leider das Nachsehen.

Leider verschafft dem Spieler nur das iOS weitere Verbündete, Android-Nutzer habens hart - auch im galaktischen Krieg

Dabei sind es doch eher die Android-Anwender, die sich weniger vom optischen Schein eines Retinadisplays und gefälligem Design der iProdukte blenden lassen, sondern deren Augenmerk sich auf technische Prinzipien konzentriert. Gut, in der harten Einschätzung ist KEIMLING als Nutzer von Android nicht ganz unparteiisch. Aber wer sich grundsätzlich eher mit Technik auseinandersetzt, dürfte auch eher offen für cross-platform-gaming sein. Das sollte ein Entwickler nicht aus den Augen verlieren. Also: Nachreichen!

Wenn KEIMLING denn mal für einen Androidshooter vorbestellen darf: Missionen im Sektor der Geth wären ganz nett. Die Maschinenwesen passen auch ganz gut zu einer als ANDROID benannten Platform. Und dann muss auch KEIMLING nicht mehr traurig vor nur einem Bildschirm sitzen und seine Schlachten schlagen.

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