NEWS: Geplünderter Weltuntergang

Ubisoft presst „World in Conflict“ aus, um „Endwar“ aufzumöbeln

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Kapitalistische Plünderer?

Dass selbst der Weltuntergang eines Tages noch durch einen Konzern ausgeplündert werden könnte, hätten wohl weder Marx noch Lenin vorausgesehen. Offenbar aber bahnt sich da bei ->Ubisoft eine Plünderung von Ideen des eingekauften Studios -> Massive Entertainment an, die bislang ihresgleichen suchte. Dahinter steht eine lange Geschichte, die einen Bogen durch die gesamte Games-Branche schlägt.

Dabei ist die jüngste Äußerung von De Plater, Creative Director bei Ubisoft, gegenüber dem Internetmagazin -> videogamer.com ebenso unspektakulär wie wenig überraschend. In dem Interview offenbart er, dass ein deutlich kleineres Team von Ubisoft Shanghai, als noch bei dem ersten Teil beschäftigt war, mit den Arbeiten an einem Nachfolger von -> Endwar begonnen habe.


Vorwärts, greift die Konsolen an, Kameraden!

Das Strate-giespiel aus dem Herbst 2008 punktete damals mit einer exzellent funktio-nierenden Sprach-steuerung. Die Entwickler wollten dadurch dem Genre einen Durchbruch auf dem Konsolenmarkt verschaffen, denn bezüglich von Echtzeitstrategie galten die Konsolen bislang als Niemandsland. Man könne halt von der Vorarbeit zum ersten Teil so weit profitieren, erklärte De Plater, dass sich das kleinere Entwicklerteam trotzdem ein tieferes Einzelspielererlebnis vorgenommen habe. Außerdem könnten die Unterschiede der Einheiten im „Stein-Schere-Papier-Prinzip“ besser herausgearbeitet werden.

Damit wäre der Kern des Interviews eigentlich schon zusammengefasst, seinen ganzen Hintergrund aber gibt das Gespräch mit De Plater nicht preis. Im Zuge des Mergers zwischen Activison und Vivendi aus dem letzten Jahr wurden einige Marken heimatlos, die nach Meinung des neuen Managements von ->Activision Blizzard, dem aus der Fusion hervorgegangenen Games-Giganten, keine Zukunft mehr hätten. Neben anderen enorm bekannten Marken und Studios verließ damit auch der schwedische Entwickler -> Massive Entertainment unfreiwillig den Mutterkonzern Vivendi in Richtung „unbekannt“  (-> Bericht von Gamasutra.com, 3. Dezember 2007). Aufgrund einer Verschlankung und eines klareren Profils der Vivendi-Games-Sparte seien Veräußerungen notwendig, wurde verkündet.

Ein verkanntes Genie - das bisher beste RTS aller Zeiten.

Man gewann den Eindruck, bei diesen Spielemarken handele es sich nicht um qualitativ hochwertige Titel, denen oft ein falsches Marketing zum Verhängnis geworden war. Es wurde offensichtlich, dass Activision einzig daran lag, die vollwertige Hauptmahlzeit -> Blizzard mit seinen erfolgreichen Marken, insbesondere -> World of Warcraft, mit einem großen Happen zu verschlingen. Andere Games-Konzepte wie zum Beispiel -> World in Conflict wurden als weniger nahrhafte Beilagen weiter um den Tisch gereicht…

Lange Zeit blieb es sehr still – über zehn Monate wartete die Fangemeinde aus Echtzeittaktikern des innovativen Strategiespieles auf neue Nachrichten bezüglich World in Conflict, das von den Fachmagazinen hoch gelobt worden war.  Es war schon allein unverständlich, warum ein spielerischer Rohdiamant wie das hinter diesem Titel stehende Gameskonzept nicht durch Activision Blizzard weiter geschliffen werden sollte.

Der neue Konzern fügte zudem durch die fast einjährige Verzögerung, ohne dass Konkretes über die Entwickler oder ihr Spiel verlautet wäre, der Marke und dem schwedischen Studio irreparablen wirtschaftlichen Schaden zu. Viele Spieler gaben angesichts des Schweigens von allen Seiten entnervt auf, neue Inhalte zu erwarten.  So richtete man ein erstklassiges Spielkonzept zugrunde, wenn man auch zugestehen muss, dass die Erstverkaufszahlen im Herbst 2007 angesichts des Lobes aus Kritikerkreisen überraschend gering ausgefallen waren.

Schließlich fand sich mit -> Ubisoft im November 2008 ein Käufer für Massive Entertainment, wonach die Informationsflut jedoch auch nicht unbedingt überwältigend war (-> Bericht bei gi – gamesindustry.biz, 11. November 2008). Dennoch schien mit der neuen Entwicklung wenigstens der Fortbestand von Massive und seinen Spielen gesichert, zu denen auch die erstklassige -> Ground Control – Reihe gehörte (Der Entwickler Rebellion hat diese Marke nun auch aus Massive herausgelöst, wie -> Gamasutra.com am 14. Juli 2009 berichtete. ). Ubisoft zielte jedoch mit „Endwar“, seinem eigenen Endzeittitel mit globalem militärischen Weltuntergangsszenario, auf dasselbe Klientel wie World in Conflict. Konsequent vermuteten zahlreiche Spieler, Massive wäre lediglich aufgekauft worden, um einen Konkurrenten aus dem Wettbewerb zu entfernen.  Allerdings veröffentlichte Ubisoft zunächst im März 2009 tatsächlich das Addon „Soviet Assault“ zu World in Conflict, was Teile der Spielergemeinde tröstete.

Warum ins Kino gehen, wenn man Filme auch spielen kann: Mission Pine Valley in World in Conflict

Je konkreter jedoch wurde, was Ubisoft mit dem schwe-dischen Studio plante, umso unbehag-licher wurde vielen Spielern. Yves Guillemot, Boss von Ubisoft, verkündete auf der Annual BMO Capitol Markets Interactive Entertainment Conference zur Mitte des Novembers 2008 schließlich, wohin der gemeinsame Kurs mit Massive führen solle. “Our goal there is to go first with light MMOs…that have been extremely popular in China but are also coming in the U.S. and Europe and are generating lots of good revenue, so our goal is first to start with light MMOs, and then in the future also come with RPG and RTS, also in the MMO space.” (-> Bericht von VG247,  13.  November 2008). Man wolle also mit dem Entwickler Konzepte für seichte Multiplayer-Spiele erproben, die in Asien bereits sehr lukrativ funktionierten. Auch die wohlwollendsten Beobachter schlossen nun, dass diese Ankündigung das vorläufige Ende des erfolgreichen Entwicklers bergen dürfte. Auch Martin Walfisz, Gründer und Chef von Massive, dürfte nach dem Release des Addons die Lage neu bewertet haben. Hatte er zu Anfang noch geäußert, Ubisoft habe großartige Pläne, sah er im März 2009 wohl keine Perspektive für eine Zusammenarbeit mehr. Kurz nach dem Release des lang erwarteten Programmes vom 13. März 2009 verließ er Massive Entertainment (-> Bericht auf gi – gamesindustry.biz, 17. März 2009) – ohne nähere Angabe von Gründen. Darüber darf man sicherlich zwei Mal nachdenken.

Dass Endwar einen Nachfolger bekommen soll, der mit den wesentlichen Features von World in Conflict punkten will, lässt KEIMLING daher ungläubig die Augenbrauen heben. Eine erzählstarke Einzelspielerkampagne, bessere Abstimmung der Einheitentypen aufeinander – es fehlt eigentlich nur noch, dass Endwar 2 die Sprachsteuerung durch die eingängige, an Ego-Shooter erinnernde Kamerasteuerung von World in Conflict ersetzt. Das Vorgehen von Ubisoft erscheint im Nachhinein wie ein von langer Hand geplanter Coup. Immerhin muss man dem Publisher Respekt zollen, einen so langen Atem bewiesen zu haben, um einen veritablen Mitbewerber aus dem Markt zu drängen. Ubisoft plündert die erworbene Lizenz, die Fähigkeiten der Mitarbeiter, das Know-How aus, um das verkorkste Spielprinzip des ersten Endwar-Teiles mit einer neuen Karosserie ins Rennen zu schicken.

Überragende Sprachsteuerung, spielerisch jedoch mau. Mission in Endwar.

Von dem Konzern ist jedenfalls nicht zu erwarten, das qualitative Niveau von World in Conflict zu erreichen. Auch in der Vergang-enheit hat Ubisoft mehrfach unter Beweis gestellt, dass kluges Marketing allein nicht ausreicht. Hatte man mit der Bewegungsfreiheit in -> Far Cry 2 geworben, befand man sich – bei allem Glanz des Spieles – in einer stetigen Wiederholungsroutine, in der die Auftraggeber einen Spieler stets an den entferntesten Ort der Karte beorderten. Endlose Fahrerei war der Lohn. Auch für den ersten Teil von -> Assassin’s Creed nahm die Werbung den Mund ziemlich voll, spielerisch wurde der Actiontitel jedoch erneut vernachlässigt. Die Missionen ähnelten sich zu sehr, Abwechslung war ein Fremdwort. Auch bei dem ersten Endwar-Teil trat Ubisoft eine breit angelegte Kampagne los, um die Sprachsteuerung als Revolution zu preisen. Sicherlich, muss man ehrlicherweise einräumen, war das sprachgesteuerte Kommandosystem eine erstaunliche Innovation. Immerhin konnte es nahezu fehlerfrei zahlreiche Sprachen korrekt erkennen. Leider jedoch wurde schon auf der Games Convention 2008 in Leipzig deutlich, dass für den Rest einer gelungenen Spielentwicklung die Ressourcen wohl nicht mehr zur Verfügung standen. Spielprinzipien ähnelten sich zu sehr, Einheiten reihten sich unrealistisch wie an Perlenketten für den Kampf auf, die künstliche Intelligenz war quasi nicht vorhanden – kurzum: spielerisch war Endwar enttäuschend und nicht mehr als eine Technikdemo für das Voice-Tool. Zudem hatten sich die Entwickler offenbar keine Gedanken darum gemacht, dass gerade für Clan-Wettkämpfe die Kommunikation unter den Spielern über Head-Sets wichtig ist. Ubisoft Shanghai blieb eine Lösung bei ihrem sprachgesteuerten Spiel schuldig, wie sich die Teamabsprache mit den Einheitenkommandos vertragen sollten.

Wenn nun also ein neues Endwar entwickelt wird, heißt dies also keineswegs, dass sich damit die besseren Spielprinzipien, die bessere Communityplattform, die dichtere Erzählkraft,  das überzeugendere Einheitendesign oder die bessere KI durchgesetzt hätten. Endwar war im Ganzen schlecht durchdacht, ein Strategiespiel aus der Lümmelreihe im hinteren Teil der Klasse. World in Conflict hingegen folgte hervorragenden Spielprinzipien und war nach Meinung der Kritiker der Klassenprimus – leider wurde WiC nun nicht verstetzt. Die Kriegskasse bei Ubisoft war einfach größer als die des schwedischen Entwicklers aus Malmö. Natürlich hat bislang noch niemand auch nur einen Screenshot aus dem neuen Endwar-Sequel gesehen, um sich eine fundierte Meinung zu bilden. Dennoch steht aufgrund der Indizien zu vermuten, dass Ubisoft einen modernen Raubzug durch die Ideenlandschaft von Massive Entertainment unternimmt. KEIMLING wartet schon mal auf die nächste Marketingoffensive, mit der süßer, zähflüssiger Werbersprech auch die nächsten Fehlentscheidungen von Ubisoft mit einer einlullenden Deckschicht überziehen wird.

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