INNOVATION: Sprachlose Leere

„The Void“ überrascht mit Traumwelt zwischen Leben und Tod

Farben und Licht gegen das Vergehen
Farben und Licht gegen die Vergänglichkeit

Zunächst einmal muss für diesen Artikel eingestanden werden, dass die hier gemeinte Leere eine besondere ist – sie ist nicht einfach nur leer. Ohnehin scheint es fragwürdig, dass mit dem Titel des Action-Adventure „->The Void“ eine inhaltslose Leere gemeint ist, wie es vielfach die Fachpresse übersetzt. Void sollte vielleicht doch eher in einer anderen Bedeutung als „Lücke“ begriffen werden.

Nichts ist so, wie es scheint... auch hier nicht.
Nichts ist so, wie es scheint... nein, auch hier nicht.

Tatsache ist, dass in dem nicht nur für den Publisher Atari ungewöhnlichen Spiel des russischen Entwicklers ->Icepick Lodge viel zu viel enthalten ist, um erstere Bedeutung überhaupt zu verdienen. Sinnvoll wäre dagegen die Bezeichnung als Lücke, gelangt die Hauptfigur doch schon kurz nach Spielbeginn durch den eigenen Tod in eine Zwischenwelt – einen Spalt zwischen dem diesseitigen Leben und der endgültigen Vergänglichkeit. Dieser Nachhall auf die Welt der Lebenden entpuppt sich jedoch als ein Ort, an dem man weiter um jede Sekunde der verblassenden Existenz kämpfen muss und zahlreichen Schönheiten begegnet, die nicht sind, was sie vorgeben…

Wegen seiner internationalen Übersetzungen wurde der Vorgänger ->Pathologic von 2006 sehr durchwachsen beurteilt. Schon in diesem Action-Adventure hatte das Team bewiesen, dass es eine mysteriöse Atmosphäre schaffen konnte. Das Spiel scheiterte jedoch an einer schwammigen Steuerung, ineffektiven Waffen und einem rigiden Zeitdruck. Benötigte ein Spieler zu lange, um einen Auftrag zu erledigen, so verstrich ein Spieltag und der nächste Sonnenaufgang offenbarte sogar ein leeres Auftragsbuch, weil alle Quests automatisch entfernt wurden. Im Ursprungsland Russland hoch gelobt, fiel der Erstling des Studios im Ausland wegen seiner Schwachpunkte durch die meisten Beurteilungen.

The Void schlägt sich nun völlig neue Wege in das Genre der Action-Adventures – so neuartig, dass die Frage sein müsste, ob noch von einem Spiel oder schon einem interaktiven Kunstwerk die Rede sein müsste. Gewiss, auch dieses Mal überzeugt das russische Studio nicht vollständig mit der grafischen Qualität – noch immer ist diese nicht zeitgemäß. Allerdings fällt dies dem gefesselten Spieler dieses Mal weder auf, noch ins Gewicht.

Farben entscheiden über Leben und Tod
Farben entscheiden über Leben und Tod

Denn die Atmosphäre des Titels ist so fremdartig und eindrucksvoll inszeniert, dass Vergleiche mit dem Diesseits ohnehin keinen Moment den Eindrücken stand hielten. Nachdem der Tod den Spieler aus dem Leben gerissen hat, flackert das eigene Bewusstsein erneut in einem grauen Nichts auf. Doch herrscht allerdings auch keine vollständige Leere, raunt eine weibliche Stimme doch Lyrik und anderes, unverständliches Zeug ins Ohr. Woher kommt die Stimme? Wo bin ich hier? Wie steuere ich alles? Auf keine dieser Fragen gibt es eine Antwort – jedenfalls serviert das Spiel diese nicht auf dem Silbertablett.

Die Devise lautet: Loslegen und selbst erkunden. Immerhin weist ein Tutorial auf die nötigsten Funktionen wie die Shooter-typische Steuerung mit WASD hin. Sogenannte Lympha in verschiedenen Farben soll man aufsammeln, so erklärt die Lehreinheit, denn in der Leere finden sich ab und an kleine Pflanzen und Tierchen, denen man die Rohstoffe entreißt.

Zum Verstehen muss man es spielen - es gibt keinen anderen Weg

Warum sollte man denn nun in der grauen Leere, in der sich der Spieler wiederfindet, nach bunten Farbstoffen fahnden? Bald schon führen die ersten Schritte zu einer leicht bekleideten Fürstin des Void, von denen in der Weite der Zwischenwelt einige weitere auf den Spieler warten. Diese sammeln Lympha in ihren Herzen und wandeln sie zu Nerva um. Die verschiedenen Arten der Nerva ermöglichen Kommunikation, Kampf und das eigene Überdauern in The Void. Endet der Vorrat an Nerva entgleitet die Spielfigur endgültig in das Jenseits.

Leicht bekleidet, und doch schwere Kost.
Leicht bekleidet, und doch schwere Kost.

Denn, wo transparent oder mit einem Energiewirbel bekleidete Damen herumgeistern, sind zwielichtige Rüpel meist nicht weit. In diesem Spiel nennen sie sich Wächter und wollen den Spieler von den Fürstinnen fernhalten. Offenbar aber schützen Sie diese nicht nur, sondern halten sie gefangen. Die Wächter hätten daher wohl besser Wärter geheißen, denn sie versuchen zu verhindern, dass die Fürstinnen zu mächtig werden.

Who's got balls...eh?
Who's got balls now...eh?

Durchaus einfallsreich inszeniert gehören die Bosskämpfe gegen diese überdimensionalen Riesenwachen zu den Höhepunkten des Spieles. Doch nicht alle der Wächter sind böse Kreaturen, einige ermöglichen der Hauptfigur durch die Erfüllung von Aufgaben selbst zum Range eines Wächters aufzusteigen. Nach und nach erschafft die Hauptfigur durch Kämpfe und Interaktionen mit dem Nerva in 35 solchen Spielabschnitten, die Zyklen genannt werden, Licht in der Zwischenwelt. Dabei sind die Fürstinnen die einzigen, aber wertvollen Verbündeten des Spielers. Mit leuchtenden Symbolen, die mit der Maus ähnlich wie bei Arx Fatalis, Harry Potter-Spielen oder Black&White auf den Monitor gemalt werden, schlägt der Spieler Attacken gegen die seltsamen Wächter-Kreaturen.

Gemalte Fantasie
Gemalte Fantasie

Seltsam ist dann auch der Haupteindruck, den man aus dem Spiel gewinnt. Dabei wird die eine Hälfte der Spieler mit dem abgedrehten Szenario und den nötigen eigenen Denkleistungen überfordert sein und binnen kurzer Zeit das Spiel verlassen. Die andere Hälfte der Gamergemeinschaft freut sich über ein völlig neues Spielerlebnis, dass zwar technisch keine neue Ära anbrechen lässt. Inhaltlich jedoch gibt so viele Anregungen an den Denkapparat, dass man wie nach dem Genuss eines David Lynch-Filmes tagelang über die Bedeutung aller Elemente nachgrübelt. Die genannte erste Hälfte stellt dann fest, wie enttäuschend seltsam doch das Erlebnis war – die anderen entgegnen, wie erfrischend seltsam es doch war.

Schwankend zwischen Irritation und Faszination
Schwankend zwischen Irritation und Faszination

Daher ist es schwer einzuschätzen, welcher Typ von Spielern mit The Void glücklich wird. Entscheidend dürfte wohl eher sein, ob jemand einen Reiz dabei empfindet, Neues zu entdecken und fähig ist, unter Zeitdruck unbekannte Impressionen einzuordnen. Wer daran kein Interesse hat, der wird The Void sicherlich nicht als Lücke zwischen Dies- und Jenseits begreifen, sondern mit gerunzelter Stirn in eine tiefe Leere schauen.

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