NEWS: Dänemark von Amerikanern bombardiert

Ein Modellprojekt von Minecraft liegt in Schutt und Asche

Dänemark ist Geschichte. Ebenso sinnfrei wie gründlich wurden die Ostseeinseln bis hin zu den weiten Dünen der Westküste in vielen Regionen durch Bombenkrater an Bombenkrater planiert. Dreist ist zudem, dass die Angreifer überall auch noch die amerikanische Flagge hissten. Nein, ich halluziniere nicht. Es ist auch kein Fall von Alternativer Geschichtsschreibung, selbst wenn das Szenario sicher einiges für einen Film oder ein Videospiel hergäbe. Tatsächlich liegt Dänemark in Trümmern, allerdings in ->Minecraft.

Im prozeduralen Sandbox-Meisterwerk des Schweden Markus „Notch“ Persson hatten dänische Minecraftspieler ganz (!) Dänemark aus topografisch-geografischen Daten nachgebildet. Die dem zugrunde liegenden Informationen wurden von der ->Geodaten-Behörde des dänischen Umweltministeriums errechnet und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt.

httpvh://youtu.be/6rMebJWiNUQ
Eine Reise durch Dänemark mit Hilfe von Minecraft. (Danmarks frie geodata i en Minecraft-verden / Kanal Kortforsyningen via Youtube)

Die Schöpfer Simon Kokkendorf und Thorbjørn Nielsen verbauten dazu Milliarden von Minecraftblöcken, einerseits, um dänische Bürger auf die bedenkliche Ansammlung sensibler Daten beim Ministerium hinzuweisen, andererseits sehen sie durchaus auch die Chancen für Bildungsprozesse. In einem telefonischen Interview mit Victoria Turk vom britischen Portal ->Motherboard erläuterte Nielsen einige Hintergründe zur Entstehung und zu den Möglichkeiten ihrer Konstruktion (->The Whole of Denmark Is Now in Minecraft, in: Motherboard vom 25. April 2014). Auf öffentlich zugänglichen ->Servern des Ministeriums in drei Großgebiete aufgeteilt, konnte sich jeder dort sogar auf seinem eigenen Grundstück in seiner dänischen Heimatstadt eine eigene Traumvilla errichten (->Übersetzung der dänischen Seite via GoogleTranslate).

Nun haben Anfang Mai ein paar Minderleister dem Projekt erhebliche Schäden zugefügt, was auch Folgen für Projekte in meiner nahen Zukunft hat…

Es war wirklich eine beeindruckende Anwendung von ->Minecraft, die noch bis Oktober dieses Jahres laufen sollte. Mit dem Projektende am 23. Oktober wären die Server ohnehin ausgeschaltet worden. Nun haben aber ein paar – verzeihen Sie den Ausdruck – hirntote Vollpfosten dem Projekt vorzeitig schwere Schäden beigebracht. Wie die Vandalen fielen Unbekannte über die Landkarte Dänemarks her und zerbombten in einigen Regionen die geschaffenen Landschaften, die rekonstruierten Städte und selbst errichteten Häuser von Mitspielern. In die Krater rammten sie amerikanische Flaggen und stellten sporadisch Panzer auf. Wie unfassbar originell und witzig.

Erste sehr panische Berichte, ganze Landstriche und Städte seien dem Erdboden gleichgemacht, dementierte der Sprecher Chris Hammeken von der Geodaten-Behörde mittlerweile gegenüber dem britischen IT-Portal TheRegister (->Ian Thomson: Denmark dynamited by cunning American Minecraft vandals, in: The Register vom 1. Mai 2014). Laut seiner offiziellen Stellungnahme sind nur ein paar Regionen betroffen. Man werde aber auch diese Gebiete nur in Ausnahmefällen wieder herstellen, da Zerstörung und Umbau legitime Grundprinzipien von Minecraft darstellen würden. Die Reaktion auf die Veränderungen ist insgesamt recht skandinavisch unaufgeregt und entspannt. Bedauerlich finde ich die Entwicklung trotzdem.

Möglich ist diese explosive Umgestaltung ohnehin nur deswegen geworden, weil Spieler herausfanden, dass TNT-Sprengwürfel doch einsetzbar waren. Zwar war ihr Einsatz im Kreativmodus von Minecraft für das Dänemarkprojekt von den Betreibern deaktiviert worden, um allzu launige Vandalen von Vornherein auszubremsen. Offenbar war es jedoch möglich, trotzdem eine Schienenlore mit den Sprengpaketen zu beladen, diese dann zu zünden und somit die Klotzlandschaften umzupflügen.

Diese traurige Verwüstung einer bemerkenswerten Idee hat auch für meine Pläne in diesem Jahr Folgen. Schon länger frage ich mich (und meine Partner von der ->Initiative Creative Gaming), wie man Vandalen daran hindert, die an sich sehr begrüßenswerte Freiheit in Minecraft zum Beispiel in Lehr-Lern-Umgebungen zu missbrauchen. Im September werde ich auf dem Hamburger Festival ->Play14 zwei Workshops mit Minecraft anbieten. Dort können Lehrer, Schüler und andere Interessierte aktiv erfahren wie historische Rekonstruktionen von Orten und Dingen aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive zu betrachten sind – nicht nur in Videospielen, sondern auch allgemeiner darüber hinaus.  Inhaltlich wird das Beispiel Hamburgs in der Frühen Neuzeit thematisiert, wofür ich eine Minecraft-Map so umfangreich wie irgend möglich vorbereiten werde.

Da wäre es sehr ungünstig, wenn nur ein unmotivierter Querkopf im wahrsten Sinne des Wortes die gesamte Veranstaltung mit ein paar TNT-Paketen sprengen könnte. Immerhin besteht im Falle von Dänemark noch Hoffnung, können Interessierte sich noch bis zum Oktober die Basiskarten der Landschaften herunterladen.

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