Archiv der Kategorie: Adventure

Abenteuer- und Rätselspiele

NEWS: Stanleys böser Sohn

Wie ein Indiespiel den Neuanfang der Traditionsreihe „Silent Hill“ prägt

Ein dunkler Flur liegt hinter der Tür, vollgemüllt mit Hinterlassenschaften eines unaufgeräumten Geistes und Relikten unangenehmer Erinnerungen. Bedrohlich wäre hier zunächst einmal nichts, wenn ich nicht gerade auf dem Boden eines kargen, vollkommen leeren Kellerraumes aufgewacht wäre. Ich schleiche den Flur entlang und stelle fest, dass offenbar jemand sehr gründlich alle Türen abgesperrt hat. Na super, sogar die Toilette ist verschlossen. Aber vielleicht findet sich noch etwas zum Öffnen, wenn ich den Flur weitergehe.

httpvh://youtu.be/YhmmYa-7yZU
Im Let’S Play des bekannten deutschen Youtubers Gronkh kann man das Spielerlebnis von Silent Hills in HD fast ebenso nachempfinden, als würde man selbst spielen. (P.T. (SILENT HILLS Preview) [HD+] [PS4] #001 – Wach‘ auf! / Kanal Gronkh via Youtube)

Weiter vorn, im Eingangsbereich des Hauses, komme ich natürlich auch nicht aus dem Gebäude hinaus. Dafür springt hier ein Radio an und erzählt mir knisternd und rauschend von Vätern, die irgendwelche Zahlen vor sich hin brummelten, bevor sie ihre Familien brutal auslöschten. Na, denke ich, die aufgesagten Zahlen werden wohl die Miesen auf deren Kontos gewesen sein. Hier gibt es nichts zu tun, alles ruhig. Man muss doch aber irgendwo hinein können, denke ich, und will ein paar Schritte zurück gehen. Da bollert jemand von innen gegen die Badtür. Das reicht, um mir in der Stille den ersten Herzinfarkt zu verpassen.

Langsam gehe ich auf die Tür zu, immer fluchtbereit erwartend, dass sie mir gleich entgegenfliegt. Irgendwas stimmt hier nicht, aber viel kann ich eh nicht tun außer zu schleichen und etwas gezielt anzusehen. Durch einen Spalt luge ich einen langen Moment in das Bad hinein… plötzlich aber erscheint eine ghulartige Gestalt und reißt die Tür von innen zu. Panisch verkrümele ich mich in Richtung des Eingangsbereichs, stürme am Radio vorbei, das irgendwie jetzt anders klingt, bedrohlicher, vielleicht auch höhnischer, und poltere eine Kellertreppe hinunter. Die dortige Tür lässt sich glücklicherweise aufstoßen… und führt wieder in den Flur vom Beginn. Hier stimmt etwas ganz gewaltig nicht. Und wieso giggelt jetzt ein Säugling vor sich hin? Das kommt doch aus dem… aus dem Bad? Was zum Teufel liegt denn da in dem blutigen Waschbecken?

Abb.: Wenn das der grafische Standard und der Stil des neuen Silent Hills werden, dann sind die Entwickler auf der richtigen Spur (Abb.: Kojima Productions / Konami)
Abb.: Wenn das der grafische Standard und der Stil des neuen Silent Hills werden, dann sind die Entwickler auf der richtigen Spur (Abb.: Kojima Productions / Konami)

Diese Szenen sind bloß der Auftakt zu einem Ereignis, dass nach der Kölner Videospielemesse ->GamesCom als ->P. T. durch das ->Playstation-Netzwerk (PSN) geisterte, und zwischen ruhigen und surrealen Szenen auch noch so manchen Schockmoment bietet. Es ist ein spielbarer Preview Teaser, deshalb diese Abkürzung. Und er ist ebenso ->herunterladbar wie spielbar – bislang aber nur für die ->PlayStation4. Dahinter verbirgt sich eine Kette von Überraschungen, die nicht nur am Entwicklerpersonal festzumachen ist: ->Silent Hill ist zurück und knüpft endlich wieder an alte Tugenden der berühmten Horrorserie an – selbst wenn es nur ->Silent Hills heißen darf…

NEWS: Stanleys böser Sohn weiterlesen

INNOVATION: Zersiebt, verlobt, verheiratet

Mit „Valiant Hearts“ entstand ein spielbares Stück Erinnerungskultur mit erfrischenden Blickwinkeln auf den Ersten Weltkrieg

Manchmal stellt sich erst im Nachhinein heraus, wie gut es ist, sich an selbstauferlegte Arbeitsprinzipien zu halten. Dazu gehört, dass ich mich zu einem ausführlichen Urteil über ein Videospiel erst hinreißen lasse, wenn ich es auch durchgespielt habe. Natürlich bildet sich eine Meinung schon zuvor nach und nach aufgrund von Indizien. Daher konnte ich mit einer Gegenrede in einem ->Kommentar bei der Webzeitschrift ->Public History Weekly auch nicht hinter dem Berg halten, nachdem dort Didaktikerin ->Monika Fenn aus Potsdam einen Beitrag über ->Valiant Hearts: The Great War veröffentlichte (siehe ->Monika Fenn: Kriegsspiel mit Herz? Computer Games zum Ersten Weltkrieg vom 17. Juli 2014). Dort legte ich allerdings auch offen, dass meine eigene abschließende Bewertung zu dem Spiel genau deswegen noch ausstehe.

httpvh://youtu.be/Khl02WOSfXQ
Das Weltkriegsdrama wird durch die einfühlsamen erzählten Beziehungen der Charaktere, ihre Sorgen, Ängste und Erlebnisse getragen. Der britische Pilot allerdings schaffte es trotz des Auftrittes im Trailer nur in eine kurze Filmsequenz im Spiel. (Valiant Hearts: The Great War official trailer [UK] / Kanal Ubisoft via Youtube)

Und diese Zurückhaltung war tatsächlich sehr gut so, weil die historische Qualität von ->Valiant Hearts: The Great War, der Überraschungserfolg, den das kleine Studio ->Ubisoft Montpellier im Juni 2014 veröffentlichte, im Spielverlauf auch überraschend deutlich schwankt. Besonders der mittlere Teil zwischen Kapitel 2 und 3 zeigt systematische Schwächen, die leider dem diametral entgegen stehen, was an dem Spiel in den übrigen Teilen so löblich war. Zudem habe ich jetzt noch ein paar mehr und vielleicht sogar bessere Beispiele und Beobachtungen parat, die erst im späteren Spielablauf auftraten. Im Prinzip aber bleibt es bei meinem früheren positiven Urteil über das 2D-Action-Jump&Run. Dennoch muss ich meine vorläufigen Einschätzungen – die ich bereits in NEWS-Beiträgen dieses Blogs abgab – durch das nun gewonnene Gesamtbild des Spieles nicht revidieren, aber doch relativieren (siehe ->NEWS: Helden der Herzen vom 13. Juni 2014 und ->NEWS: Der vergessene Krieg vom 30. Januar 2014).

Im Kern bleibt ->Valiant Hearts: The Great War, das ->Ubisoft Montpellier mit dem hauseigenen ->UbiArt Framework realisierte, ein herausragendes Beispiel für den gelungenen Umgang von Videospielen mit historischen Themen. Es erzählt den Ersten Weltkrieg eben nicht aus einer strategischen oder einer politischen Perspektive, sondern begleitet fünf sehr unterschiedliche Figuren sehr emotional durch ihre Leben, Leiden und Ableben unter dem Eindruck des Krieges. Und das gelingt den Entwicklern – trotz aller kleinerer Defizite – so gut, dass man als Historiker eigentlich einen Award dafür erfinden müsste…

INNOVATION: Zersiebt, verlobt, verheiratet weiterlesen

NEWS: Helden der Herzen

Neue Videos zu Valiant Hearts zeigen tiefere Einblicke in eine sehr persönliche Geschichte des Ersten Weltkrieges

Die Electronic Entertainment Exposition (E3) in Los Angeles ist eines der größten Branchentreffen der Videospieleindustrie weltweit. Jährlich erscheinen dort die neuesten Informationen oft in Form von Videos und Trailern zu einer Vielzahl von neuen Videospielen. Auch ein sehr besonderes, verblüffendes Videospiel zum Ersten Weltkrieg bildet dort keine Ausnahme. ->Valiant Hearts: The Great War von ->Ubisoft Montpellier erzählt auf der Grundlage von deutsch-französischen Liebesbriefen die Geschichte von fünf  Charakteren, die vor dem und während des Krieges eng miteinander verbunden waren und nun auf beiden Seiten der Fronten stehen. In meinem Beitrag ->NEWS: Der vergessene Krieg vom 30. Januar 2014 habe ich schon viele Details zu diesem Spiel ausgeführt, weshalb ich hier nur die Videos für sich selbst sprechen lassen will.

httpvh://youtu.be/MP8q5F6dFqQ
Ein neuer, offizieller Trailer verlautet mehr darüber, wie die Charaktere mit der Hintergrundgeschichte und untereinander verwoben sind. (Valiant Hearts E3 Trailer [US] / Kanal Ubisoft via Youtube)

Erwähnenswert aber erscheint mir über diese visuellen Eindrücke hinaus, wie behutsam und mit wie viel Liebe zum Detail die Geschichte der Zeit in diesem Spiel integriert wird. Auch wenn die Comic-Grafik der neuen ->UBIart Framework-Engine von Ubisoft stark stilisiert und wohl bewusst klischeehaft Franzosen, Briten, Amerikaner wie Deutsche darstellt, kontrastiert diese unwirkliche Kulisse doch die emotionsreiche und multiperspektivische Kriegsgeschichte der fünf Akteure hervorragend. Die klischeehafte Optik der Umgebung ist sozusagen das Brennglas, mit dem die Aufmerksamkeit auf die Hauptcharaktere fokussiert wird.

httpvh://youtu.be/kAQcsBYYFxM
Der deutschsprachige Release-Trailer aus dem Mai zeigt die Beziehungen zwischen weiteren Akteuren und führt durch viele Schauplätze. (Valiant Hearts: The Great War – Unsung Heroes [DE] / Kanal Ubisoft via Youtube)

Einfühlsam zeigt die an historischen Begebenheiten orientierte Erzählung, welche tiefen Bindungen zwischen den kriegsbeteiligten Ländern auf menschlicher Ebene existieren konnten und wie sie auch in Kriegszeiten noch bestanden. Offenbar – wie das nachfolgende Gameplay-Video zeigt – können Spieler jedoch auch umfangreiche historische Informationen in einer Enzyklopädie nachschlagen, die in das Spielgeschehen integriert ist.

httpvh://youtu.be/eKB301DR-Y4
Ein exklusives Video, erspielt auf der E3 in Los Angeles, gibt nicht nur Hinweise auf das Gameplay, sondern durch die Kommentare der Moderatorinnen auch, welche Reaktionen und Gedanken es bei Spielenden hervorruft. (E3 Exclusive Gameplay – Valiant Hearts: The Great War / Kanal YOGSCAST Hannah via Youtube)

Für eine abschließende eigene Bewertung möchte ich das Spiel selbst einmal durchspielen, so dass ich jetzt erstmal dieses fremde Gameplay-Video für sich sprechen lasse. Wer sich bis zu meiner detaillierten Einschätzung nicht gedulden mag, dem sei das Spiel aber dringend zum Kauf ans Herz gelegt. ->Valiant Hearts: The Great War wird am 25. Juni 2014 für die beiden Generationen von XBox und PlayStation sowie für PC erscheinen. Leider wird es nur als Download-Titel erhältlich sein.

*

NEWS: Was der Wachhund denkt

Endlich rückt Ubisoft mit der Geschichte hinter Watch_Dogs raus

Länger schon ist bekannt, dass bei den Schöpfern von ->Assassin’s Creed, dem Studio ->Ubisoft Montreal, an einem sehr innovativen Spielkonzept gearbeitet wird (siehe Beitrag ->NEWS: Hey, Watch Your Dog! in: Keimling, 26. Juli 2013). In einem Open-World-Setting einer nahen Zukunft manipuliert der Protagonist von ->Watch_Dogs, der den Namen Aiden Pearce trägt, sämtliche Kommunikationswege des amerikanischen Chicago. Dafür benutzt er ein omnipotentes Smartphone, das die Telekommunikationsnetze, aber auch Verkehrszeichen, Sicherheitspoller und Werbetafeln beeinflussen kann. Das allein klingt schon einmal sehr vielversprechend, weshalb die weltweite Games-Szene das Spiel bereits zum kommenden Welthit erklärte. Was Aiden so treibt, ist also hinlänglich bekannt.



In Watch_Dogs sind alle Weichen für eine ausgefeilte Geschichte mit vielschichtigen Charakteren gestellt. (Story Trailer DE / Kanal Ubisoft via Youtube)

Unklar blieb bislang allerdings, warum er tut, was er da so tut. Bedenklich zurückhaltend gab sich ->Ubisoft mit Einblicken in die Geschichte des Charakters und dieser reizvollen Spielwelt. So sehr, dass manch ein Magazin munkelte, es gäbe vielleicht gar nichts darüber zu berichten. Nun, diese Gefahr ist gebannt, zeigt der nun veröffentlichte, beeindruckende Storytrailer neben dem narrativen Hintergrund auch einige interessant gezeichnete Figuren. Dass da noch mehr zu erwarten ist, deuten die Bilder von ein paar mehr Charakterköpfen auf der offiziellen Webseite von ->Watch_Dogs an.

Allerdings fährt die Geschichte offenbar so einige Klischees auf. So wirkt Aidens Hackerkollegin nicht nur optisch, sondern bis hin zur Gestik wie ein Abziehbild von Lisbeth Salander aus dem Film ->Verblendung, und einige Sprüche erheben den wenig schmeichelhaften Anspruch darauf, bei ->Far Cry 3: Blood Dragon aufgenommen zu werden. Dennoch könnte die Stimmung und das Setting gut funktionieren. Aiden ist auf einem persönlichen Rachefeldzug in einem unverbrauchten Szenario, das sich um Mädchenhandel, Überwachung, Kommunikationsmacht und derer dreier Missbrauch rankt. Nun, und sollte die Figur der Hackerin so gut gezeichnet werden wie im Film, wäre allein das Gespann zwischen Aiden und ihr am 27. Mai 2014 einen Kauf wert.

*

NEWS: Der vergessene Krieg

Wie man den Ersten Weltkrieg in Szene setzt – und wie nicht

Der Zweite Weltkrieg wurde in Videospielen bereits so häufig aufgegriffen, dass es vor wenigen Jahren sogar gestandenen Redakteuren von Spielemagazinen zu viel wurde. Auch die Spielerschaft zeigte sich zunehmend genervt. Mit ->Call of Duty: Modern Warfare gelang dem Entwickler ->Infinity Ward 2007 ein Befreiungsschlag, indem das Setting zu dem namensgebenden modernen Kriegsgerät und – nicht ganz unumstritten – zeitgenössischen Schauplätzen schwenkte. Anstelle des Zweiten Weltkrieges werden nun aber diese seit bald zehn Jahren fortlaufend aufgegriffen. So häufig, dass sich nun die Ersten wiederum darüber aufregen.



Bereits die Modifikation Battlefield 1918 griff ab 2004 den Ersten Weltkrieg als Shooterszenario auf - und steht damit weitgehend allein. (Battlefield 1918 (V3.1) 2012 Teaser / Kanal RinoD via Youtube)

Andere Schauplätze haben es dagegen schwer. Den Ersten Weltkrieg zum Beispiel thematisiert kaum ein Spiel. Wenn doch, konzentriert sich die Anwendung bemerkenswert auf zwei Genres: Simulationen und Globalstrategie. Dies zeigte vor Kurzem Steffen Bender, der in seinem Buch ->Virtuelles Erinnern aus erinnerungskultureller Sicht untersuchte, wie Videospiele die Konflikte des 20. Jahrhunderts inszenieren. Shooter sind – anders als bei den obigen Schauplätzen – nicht darunter, obwohl die Modszene schon immer gezeigt hat, dass daran durchaus ein Kundeninteresse besteht. Modder verwandeln in Teilen oder vollständig (als Total Conversion) im Handel erhältliche Spiele mit Modifikationen (Mods) um. Auf diese Weise entstand zu dem Team-Taktik-Shooter ->Battlefield 1942 von 2002 auch die Mod ->BF1918, die das Kriegsgerät des Ersten Weltkriegs in das Hauptspiel integrierte. Adventures aber, in denen der Plot durch die Kombination von Gegenständen durchrätselt wird, oder Rollenspiele, die ihren Schwerpunkt stark auf die charakterliche Fortentwicklung der Spielfigur legen, sucht man zu diesem Kontext vergebens.

Nun sind aber gegenwärtig zwei Spiele zum Ersten Weltkrieg in der Entwicklung, die unterschiedlicher kaum mit dem historischen Stoff umgehen könnten und die gleichzeitig von dem durch Bender aufgezeigten Schema abweichen. Der eine Kandidat namens ->Verdun inszeniert den ersten industrialisierten Massenkrieg als Shooter. Im zweiten, dem Actionadventure ->Valiant Hearts: The Great War, werden fünf Figuren in die Hölle der Schützengräben hinabsteigen und – dem Vernehmen nach – nicht alle wieder heraus kommen. Auch aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive geht einer der beiden Titel im Grabenkrieg unter…

NEWS: Der vergessene Krieg weiterlesen

NEWS: Die Weißen Ritter

Warhorse Studios kündigen ein historisch akkurates Mittelalterspiel im Römisch-Deutschen Kaiserreich an

Weiße Ritter stehen als Sinnbild für ritterliche Tugenden, mit denen hohe Ideale bis hin zur Selbstaufopferung hochgehalten werden. Das Team der ->Warhorse Studios aus Prag damit zu vergleichen, die mit ->Kingdom Come: Deliverance ein mittelalterliches Rollenspiel für die Plattformen PC, XBox One und Playstation 4 angekündigt haben, erscheint nur auf den ersten Blick übertrieben. Aus wissenschaftlicher Perspektive folgen die Entwickler, die an hochklassigen Produktionen wie dem erzählstarken ->Mafia oder den militärischen Team-Shootern der ->Armed Assault-Reihe sowie ihren Ablegern gearbeitet haben, durchaus höchsten Idealen geschichtlich akkurater Inszenierung.



Hält Glaubwürdigkeit endlich Einzug ins Mittelalter? (Quelle: Teaser / Kanal Warhorse Studios via Youtube)

Die Pläne für das 2015 erscheinende Action-Rollenspiel mit strategischen Elementen sehen eine offene Spielwelt (Open World) vor, in der sich Spieler frei entfalten können, einer nicht-linearen, verzweigten Erzählung folgen und im Nahkampf aus der Ich-Perspektive zu Felde ziehen. Die Titel aus der Vorgeschichte der Personen belegen schon einmal hohe Kompetenz in der Realisierung offener Spielwelten. Bewusst verzichten die Entwickler zudem auf die Vermischung eines pseudomittelalterlichen Settings mit Fantasiewesen und Magie wie ausnahmslos alle Konkurrenten im Bereich der Rollenspiele…

NEWS: Die Weißen Ritter weiterlesen

DGBL: C.S.I. 1947

„L.A. Noire“ erweckt die Vierziger zum Leben – oder zum Tod

Man kann mich als Historiker für Vieles begeistern. Die Geschichte der Vereinigten Staaten am Ende der Vierziger Jahre gehörte bislang nicht dazu. Die grassierende Kommunistenphobie, gepaart mit einem überschwänglichen Patriotismus nach dem erfolgreich geführten Weltkrieg, gefällt mir ebenso wenig wie die rigiden gesellschaftlichen Verhältnisse in Bezug auf die Geschlechterrollen und die Rassenfrage oder die zur Schau getragene religiöse Inbrunst mit inquisitorischer Mentalität. Für mich stand diese Zeit immer für Orientierungslosigkeit, politisch und gesellschaftlich der Leerlauf vor dem Beginn einer Übergangsphase.

L.A. Noire ist nicht nur ein Game Noir, sondern vor allem ein Portrait der US-Nachkriegszeit (Quelle: Wallpaper / Offizielle Seite)
L.A. Noire ist nicht nur ein Game Noir, sondern auch ein Portrait der US-Nachkriegszeit. (Quelle: Wallpaper / Offizielle Seite L.A. Noir)

Auf das Detektivspiel ->L.A. Noire ließ ich mich daher nur ein, weil das Spielprinzip erfrischend innovativ ist, und ich keinem Open-World-Titel aus dem Hause ->Rockstar lange widerstehe. Der australische Entwickler ->Team Bondi besetzte zudem so ziemlich jede Sprechrolle mit realen Schauspielern und übertrug ihre Emotionen in bislang nie wieder erreichte Gesichtsanimationen. Nein, meiner Ansicht nach nicht einmal bei Willem Dafoe und Ellen Page, die den Charakteren in ->Beyond: Two Souls Ausdrucksstärke verliehen. Dabei ist die englische Sprachausgabe der Atmosphäre besonders zuträglich, merkt man doch gleich, dass Profis hinter dem Mikrophon standen. Deutsche Synchronsprecher hätten diese Qualität niemals erreicht; und sie hätten die Illusion wohl auch zerstört, in einem Abbild von Los Angeles unterwegs zu sein.

Erst die detaillierte Mimik und Gestik macht es zudem möglich, im Spiel eine wesentliche Polizeiarbeit zu verrichten: Befragungen von Zeugen und Verhöre von Verdächtigen durchzuführen, um Taten zu rekonstruieren und Lügner zu entlarven. Denn die Hauptfigur Cole Phelps, die der Spieler im Gutteil der Kampagne steuert, steigt im Polizeidienst der Stadt der Engel auf und fällt schließlich wieder sehr hart. Dabei muss er die Zeugenaussagen mit dem Auftreten und der Mimik der Befragten in Einklang bringen. Mit jedem Fall wird diese Aufgabe ein bisschen komplexer.



Zur Polizeiarbeit gesellen sich verwobene Handlungen mit historischen Hintergründen vor einer aufwändigen Rekonstruktion von Los Angeles. (Quelle: Orientation Trailer / Kanal Rockstar via Youtube)

Doch darüber hinaus ist die Inszenierung des Settings von Los Angeles in den Vierziger Jahren sehr überzeugend. Damit sind nicht nur die Nachbildungen historischer Gebäude wie des ->Hauptbahnhofs oder des Stadtarchivs gemeint oder die hundert (100!) historischen Fahrzeugtypen. Vielmehr macht sich das Spiel viele gesellschaftliche Themen der Zeit so gut zum Inhalt, dass es trotz aller Film-Noire-Allüren ein plausibles, einzigartiges Abbild einer kulturellen Teilsphäre der U.S.A. in der Nachkriegszeit erschafft…

DGBL: C.S.I. 1947 weiterlesen

KOMMENTAR: Geschichten? Unbezahlbar!

Überfällige Gedanken zur Zukunft von Content


Warum dieser Kommentar hier und leider nicht im Magazin making games erscheint, lesen Sie in ->NEWS: Widersprich doch mal…

Seit einigen Jahren verändert sich die Branche der Videospiele mit rasanter Geschwindigkeit. Plattformen zur Distribution mit angeschlossenem Kopierschutz drängen die Käufer in Richtung digitaler Downloads, der Gebrauchtmarkt wird dadurch ausgetrocknet und kleine, unabhängige Entwickler erhalten durch Finanzoptionen wie Crowdsourcing neue Überlebenstrategien. Vieles ist in Bewegung. Das größte Heilige Kalb, um das alle tanzen, heißt jedoch Free-To-Play (F2P).

Die Philosophie hat sich längst weit über den Markt der Onlinerollenspiele mit großen Spielerzahlen (MMORPGs) hinaus ausgebreitet. Spieler können kostenlos die Programme, sogenannte Clients, herunterladen, installieren und spielen. Dass auch hochwertige Shooter so funktionieren können, unterstreichen das bereits erhältliche ->Planetside 2 von ->Sony Online Entertainment und das nun auch in Mitteleuropa gestartete ->Warface des deutschen Edelentwicklers ->Crytek. Geld wird damit eher indirekt gemacht. Die einen Anbieter stellen in virtuellen Läden Ausrüstung, Waffen und Bekleidung zum Verkauf, um damit Spielern echtes Geld für breitere Munitionsgurte, bessere Zauberstäbe oder rosa Federhüte abzunehmen. Andere verkaufen vorübergehende Vorteile, sogenannte Buffs, mit denen zeitweilig mehr Erfahrung gesammelt wird, die Spielfigur besser schießt oder stärker wird.



Planetside 2 beweist, dass MMO-Shooter mit dem F2P-Konzept höchstklassig sein können (Quelle: Trailer / Offizieller Kanal Youtube)

Das früher häufig verwendete Modell des Abonnements, bei dem je Monat ca. 10-15 € für den Zugang zu zahlen waren, ist fast schon Vergangenheit. Selbst große Marken wie ->Star Wars: Die alte Republik scheiterten unter ->Bioware und ->Electronic Arts (EA) mit Abos. Umso mehr verwundert, dass ->Bethesdas ->The Elder Scrolls – Online auch auf diese Bezahlform setzt. Es ist zur Zeit ein Himmelfahrtskommando. Eigentlich besteht der Abomarkt zu achtzig Prozent aus ->Blizzard’s Urgestein ->World of Warcraft von 2004, und selbst das plagen deutlich sinkende Spielerzahlen. Analysen aus der Branche deuten darauf hin, dass dort die Umsätze in nur einem Halbjahr um 54% gefallen sind (Quelle: ->World of Warcraft is Thinking of Microtransactions, and That’s a Good Thing, in: Superdata. Digital Goods Measurement, 11.09.2013).

Ein wesentlicher Aspekt von Videospielen kommt bei dem Trend zu F2P aber zunehmend zu kurz: das Erzählen guter Geschichten. Klassische Erlebnisse im Einzelspielermodus werden seltener, drohen gar auszusterben. Einen Plan, wie es nicht so weit kommen wird, formuliert zwar der Wiener Forscher Christoph Klampfl in einem Essay der ->making games 5/2013, doch ist seine Analyse nicht ganz überzeugend…

KOMMENTAR: Geschichten? Unbezahlbar! weiterlesen

DGBL: Subtext, Stanley! Subtext!

In „The Stanley Parable“ gehts um Vieles, am Rande aber nur um Stanley

Tagein, tagaus sitzt Stanley in seinem Büro. Er drückt Knöpfe. Warum, weiß er nicht. Welche, sagt ihm der Computer. Und er ist dabei glücklich. Erst als niemand sonst mehr im Gebäude ist, passt auch ihm das nicht. Viel gravierender erscheint ihm aber, dass ihn nun der Computer auch nicht mehr auffordert, irgendwelche Tasten zu drücken. Stanley steht also auf und verlässt sein Büro.

Stanley spricht nicht, teilt uns nicht mit, was er will und warum er etwas tut. Alles, was der Spieler ihn machen lässt, alles, was er sagen könnte, kommentiert ein Erzähler, der hervorragend gewählt ist. Von seiner Ausdrucksstärke lebt das gesamte Spiel. Denn im Grunde handelt es sich ja bei der Independent-Perle ->The Stanley Parable von ->Galactic Cafe nur um das Spiel mit Stanleys Versuchen, einen Ausweg aus dem Gebäude zu finden.


Abb: Stanley folgt den Anweisungen des Computers - bis keine mehr kommen (Collage Offizieller Screenshot/Schriftzug)
Abb: Stanley folgt den Anweisungen des Computers - bis keine mehr kommen (Collage Offizieller Screenshot/Schriftzug)

Der Erzähler kommentiert jedoch nicht nur, sondern reagiert auf die Handlungen und Weigerungen des Spielers, versucht ihn zu beeinflussen, manchmal sogar zu täuschen. Dabei wird er unterwürfig, weinerlich, zuweilen wütend, hinterhältig, manchmal betreibt er sogar aktiv Stanleys Ableben. Überhaupt ist hier der Erzähler der Star. Er hält alle Zügel in der Hand, je nachdem, wie der Spieler Stanley entscheiden lässt. Er hat sogar die Macht, vorherige Erfahrungen umzustoßen, beklagt sich über das repititive Skript und behauptet, Stanley aus dessen Vorgaben rauszuhelfen.

Sogar über die vermeintlichen Enden des Spiels hinaus, geht er auf Neustarts durch den Spieler ein. Die Krönung erfährt dieses narrative Konzept, als der Haupterzähler plötzlich durch eine Frauenstimme ersetzt wird, welche nun in einer weiteren Ebene die Erzählung des Erzählers kommentiert. Wenn der Spieler an einer Stelle versucht, dem eigentlichen Spiel zu entkommen, gelangt er in eine schweigende Erzählebene: Es eröffnet sich ein Museumstrakt, indem der Entwicklungsprozess dokumentiert wird. Dies ist der einzige Ort, in dem der Erzähler nicht fortlaufend spricht. Dort kann er es ja auch nicht, denn er ist selbst Teil des Spiels, das da dokumentiert wird.



Nach der eigentlichen Erfahrung ist tief zu bohren. (Offizieller Trailer / Quelle: Youtube, GSTrailers)

All diese Kniffe machen ->The Stanley Parable zu einem Juwel, das jeder gespielt haben sollte, den Experimente mit Erzählungen reizen. Nicht jeder wird dabei alle Ebenen des Spieles auf Anhieb verstehen. Meiner Ansicht nach erkennt man dies auch an der Berichterstattung der meisten Magazine und Webseiten zu Videospielen. Unter dem Deckmantel, man wolle dem Spieler seine eigenständigen Erfahrungen nicht nehmen, tarnen viele scheinbar nur, dass sie es nicht verstanden haben. Ähnliches geschah jüngst schon bei den Reviews von ->From Esther (siehe ->INNOVATION: Esthers animierte Parabel, in: KEIMLING, 3.8.2012) Und das Spiel wäre keine Parabel, schlummert noch jenseits der Erzählebene einiges unter der Oberfläche dieses Spiels…

DGBL: Subtext, Stanley! Subtext! weiterlesen

DGBL: Evolutionslehre

Evoland ist ein spielerischer Museumsbesuch

In mehr als dreißig Jahren der Geschichte von Videogames haben sich unzählige Japano-Rollenspiele (JRPGs) wie zum Beispiel die weithin bekannte Marke ->Zelda von ->Nintendo auf dem Markt angesammelt. Ihre Besonderheiten sind dabei zwar ebenso zahlreich, meist sucht darin jedoch im Grunde bloß irgendein Held nach seiner bezaubernden Geliebten, holzt sich durch verschiedenste Feinde, plündert Kisten und rüstet sich mit besserem Zeugs hoch. Entwickler wie Käufer begnügen sich dabei mit häufig recht schlichten Erzählungen. Zugegeben, mir hat sich die nostalgische Nintendo-Mania nie erschlossen.



Mit dem Link-Imitator durch die Geschichte der Japan-RPGs (Offizieller Trailer)

Tatsache ist jedoch, dass diese Spiele auch wegen ihrer großen Zahl über diese lange Zeit ein Abbild darstellen, wie sich Videospiele technisch und spielmechanisch weiter entwickelt haben. Gab es auf dem ->Gameboy lediglich monochrome Grafik in Gelb und Grau, zog bald die Farbe ein, gepixelter Minimalismus wurde durch höhere Auflösungen beseitigt, die Spielmechanik wurde um neue Facetten ergänzt, später wechselte die Darstellung aus isometrischer 2D-Darstellung in räumliches 3D.

In etwa acht Stunden Spielzeit erfolgt nun bei dem Spiel ->Evoland des Independent-Entwicklers ->Shiro Games ein Ritt durch diese Geschichte der JRPGs. Gut, in etwa der Hälfte der achtstündigen Spielzeit jedenfalls, danach folgt nicht mehr viel. Das ist dennoch beachtlich für ein Spiel, das im Rahmen des GameJam ->Ludum Dare # 24 entstand. In einem solchen Jam bleibt einem Entwickler nur ein sehr geringer Zeitraum, um ein kreatives, aber eben auch funktionsfähiges Spiel zu entwickeln – bei Evoland waren es lediglich 30 Stunden. Dafür allein ist es schon beeindruckend.

Nun ist das Spiel ein wenig ausgedehnt worden – um das Wort aufgeblasen zu meiden – damit es nun als Download für circa 10 € vertrieben werden kann. Ob sich das spielerisch lohnt, sei einmal dahingestellt. Leider lässt nämlich die zweite Hälfte des Spiels nur noch wenig vom ursprünglichen Konzept spüren. Als Experiment für ein interaktives spielerisches Museumskonzept in einem interaktiven Medium, wie Videospiele es nunmal sind, kann man Evoland jedoch gar nicht hoch genug schätzen. Um einen Überblick über die Gattung dieser Spiele zu erlangen, ist es jedem nur zu empfehlen, der sich für die Geschichte der Videogames interessiert.

*