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NEWS: Metamorphosis

Ein Relaunch macht aus dem MMORPG ‚The Secret World‘ ein neues Spiel – aber auch ein besseres?

In letzter Zeit ist es leer geworden in Tokyo. Gut, seit eine pathogene Bombe die U-Bahn in die Luft sprengte, drücken sich ohnehin nur noch selten Menschen offen durch die Gassen. Zwischen Ginpachi Park, der Uferpromenade, Kaidan City und den Hochäusern nahe der Werft schlurfen bloß noch seltsame Kreaturen durch die Straßen, verseucht, mutiert und mordlustig. Schön blöde, wer von den wenigen Überlebenden dazwischen seinen Kopf herausstreckt. Zusammen mit anderen Agenten brach ich vor einigen Monaten nach Tokyo auf, weil die japanische Regierung jede Kontrolle verlor. Trotz gigantischer Schutzmauern war die Seuche aus dem Biowaffen-Attentat nicht einzudämmen. Eine Entscheidung gegen die Monsterflut sollte herbeigeführt werden und der Grund für dieses Desaster gelüftet. Nun bin ich so ziemlich der einzige hier, sieht man von ein paar mühsam gehaltenen Brückenköpfen der Yakuza und anderer zwielichtiger Organisationen ab. Aber man tut halt, was man kann. Von allein dezimieren sich die schlurfigen Kreaturen ja nicht.

Vom dunklen Schmutz verseuchte Kreaturen kreisen bedrohlich um die Wolkenkratzer von Tokyo, zahlreiche Gegner tummeln sich auf dem Boden. Den wenigen Überlebenden, die sich verschanzen konnten, hilft man gern gegen die dunkle Brut. Dafür entlohnen fesselnde, denkwürdige Geschichten um den Sturz der Stadt ins Chaos. (Abb. Ausschnitt, eigener Screenshot, PC)
Vom dunklen Schmutz verseuchte Kreaturen kreisen bedrohlich um die Wolkenkratzer von Tokyo, zahlreiche Gegner tummeln sich auf dem Boden. Den wenigen Überlebenden, die sich verschanzen konnten, hilft man gern gegen die dunkle Brut. Dafür entlohnen fesselnde, denkwürdige Geschichten um den Sturz der Stadt ins Chaos. (Abb. Ausschnitt, eigener Screenshot, PC)

Dem Spielgefühl leistet die Einsamkeit keinen Abbruch, war man in dem Online-Rollenspiel ->The Secret World vom norwegischen Entwickler ->FunCom doch von Anfang an meist allein unterwegs. Was Viele für einen Widerspruch zur Spielform der Massively Multiplayer Online Role-Playing Games (MMORPGs) hielten, passte zumindest hervorragend in das düstere Setting. In einer modernen Gegenwart, die etwa um das Jahr 2010 anzusiedeln ist, erwachten Mythen und Legenden zwischen der amerikanischen Ostküste, Ägypten, Rumänien und Fernost zum Leben. Die Spieler zogen in die Welt, um die Gründe für diese Erweckung zu finden. Dabei erlebten sie zahlreiche fantasievolle Geschichten auf Basis historischer Begebenheiten, die Literaturgeschichte und populärkulturelle Vorstellungen einspannten und verschwörerische Theorien mitten hindurchwoben. Durch die Manifestation all dieser Vorstellungen zeichnet ->The Secret World weniger ein realweltliches Abbild der Geschichte, setzt aber mit vielschichtigen, komplexen Überlieferungen ein außergewöhnliches, kulturhistorisches Denkmal (siehe ->INNOVATION: Da wohnt doch was im Schrank vom 5.10.2012).

Die Charaktere und ihre Perspektiven auf die Ereignisse sind große Stärken von The Secret World. Der Dämon Inbeda etwa richtete sich vortrefflich auf der Erde in einem Badehaus ein. In der Hölle ein Ausgestoßener, zieht sein Clan im Patt der Mächte eigenen Ränke, er genießt Popmusik und entwickelt einen Faible für Tigerbademäntel. Inbeda selbst ist nicht zu verstehen, seine Maske übersetzt... zu seinem Unmut gelegentlich recht frei. (Abb. Ausschnitt, eigener Screenshot, PC)
Die Charaktere und ihre Perspektiven auf die Ereignisse sind große Stärken von The Secret World. Der Dämon Inbeda etwa richtete sich vortrefflich auf der Erde in einem Badehaus ein. In der Hölle ein Ausgestoßener, zieht sein Clan im Patt der Mächte eigenen Ränke, er genießt Popmusik und entwickelt einen Faible für Tigerbademäntel. Inbeda selbst ist nicht zu verstehen, seine Maske übersetzt… zu seinem Unmut gelegentlich recht frei. (Abb. Ausschnitt, eigener Screenshot, PC)

Diese narrative Dichte mit einem MMMORPG zu verbinden, war ein gewagtes Experiment, weil es mit zahlreichen Konventionen dieser Spielform brach. Viele Mechaniken versuchten zum Beispiel gerade der Spielermenge und dem Durchschleifen von zahlreichen unerledigten Aufträgen entgegenzuwirken. Wer aber mit anderen Spielern zusammen die Geheimnisse erkunden wollte, konnte dies jederzeit serverübergreifend tun. Sie traf man schließlich überall – ob nun im Londoner Pub „Der Gehörnte Gott“, in einem südkoreanischen Netzwerkcafe, New Yorker Hinterhöfen oder in der Hohlwelt Agartha. Wer aber für die Story kam, den zermürbte, wenn nicht schon das kryptische Talentsystem, dann spätestens das monotone Grinding, als die Abstände für neue Geschichten sich auf Monate dehnten. Wer für das MMO kam, den vergräzte das bockige Kampfsystem, die mangelnde Auswahl an kooperativen Schlachtzügen und das unbalancierte Schlachtfeld für den Kampf unter Spielern (PvP). Im Ergebnis verließen immer mehr Spielende die geheime Welt (weitere Gründe in ->KOMMENTAR: Totengräber verborgener Welten vom 20.1.2014).

httpvh://youtu.be/7FJu4q_wDb4
FunCom lässt die geheime Welt auch nach bald fünf Jahren nicht sterben. Die faszinierenden Geschichten von ‚The Secret World‘ erhalten mit dem Relaunch eine zweite Chance – ein für den Markt ungewöhnlicher und innovativer Schritt. (Secret World Legends – Teaser Trailer | Kanal FunCom via Youtube, 29.3.2017)

Üblicherweise macht die Branche mit ökonomischen Misserfolgen kurzen Prozess. Nach Weltuntergangsfeiern mit der Community schalten die Publisher die Server ab und die spielegeschichtlich bedeutsamen Welten gehen unwiederbringlich verloren. ->FunCom, so muss man dem einzigen unabhängigen MMO-Entwickler zugute halten, betrieb ->The Secret World dennoch über Jahre weiter. Für das einzigartige Szenario suchten sie nach Wegen,  es am Markt neu zu positionieren. Der überraschende Erfolg des brutalen Vorzeit-Survival-MMO ->Conan Exiles spülte nun erhebliche Mittel in die klamme Entwicklerkasse. ->The Secret World erhält daher dieses Jahr als ->Secret World Legends eine neue Chance. Die für die Branche innovative und ungewöhnliche Wandlung vom Online-Rollenspiel zum „Shared-World Action-RPG“ führt hoffentlich in eine Zukunft, welche auch die inhaltliche Stagnation wieder in eine neue Dynamik umkehrt. Der Umbruch wird aber auch ein harter Einschnitt für all jene, die ->FunCom und dem Unikat ->The Secret World über Jahre die Treue hielten…

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KOMMENTAR: Totengräber verborgener Welten

Die gescheiterte Revolution von The Secret World ist nicht weniger als ein Fanal für die MMO-Branche

Mit Revolutionen ist das so eine Sache, manche gelingen, manche fahren sich fest, nach anderen schwingt das Pendel in die genaue Gegenrichtung. Man muss, um diese These zu untermauern, den Blick nur nach Nordafrika wenden. Die frische Brise des arabischen Frühlings schlägt mittlerweile mit eiskaltem Winterhauch zurück und lässt Ägypten wie Tunesien in eine ungewisse Zukunft steuern.

Seit Sektierer den Sonnenkönig Echnaton wieder zu erwecken versuchen, brodelt nicht nur der Boden in Ägypten. (eig. Screenshot)
Bösartige Kreaturen entsteigen dem Wüstensand und fallen vom Himmel. Seit fanatische Sektierer den Sonnenkönig Echnaton wieder zu erwecken versuchen, brodelt in Ägypten nicht nur der Boden. (eig. Screenshot / mein Spieleravatar Lionsheart im Vordergrund)

Nun mag der geschlagene Bogen zur Games-Branche zunächst nicht auf den ersten Blick nachvollziehbar sein. Doch ist diese Vergleich keinesfalls abwegig, denn auch hier hat sich eine Revolution sang- und klanglos in die Ungewissheit verlaufen, obwohl sie mit großen Hoffnungen im Herbst 2012 gestartet war. ->The Secret World wollte komplexe Erzählungen endlich auch in Online-Rollenspielen etablieren, konnte aber diesen Anspruch nicht erfüllen.

Die Entwicklung ist umso bedauerlicher für die gesamte Landschaft von Massively Multiplayer Online Role-Playing Games (MMORPGs), weil eine detaillierte Analyse offenbart, dass die Umwälzung nicht in ihrem Kern fehllief. Vielmehr zerschellte sie an den Riffen vermeidbarer Begleitumstände…

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NEWS: Allein unter verborgenen Mythen

FunCom leistet möglicherweise mit „The Secret World“ die überfällige narrative Evolution der MMORPGs

Wie oft wurde uns Spielern schon aufgetischt, das nächste Multiplayer-Rollenspiel wäre ein viel schmackhafteres, viel nachhaltigeres Menü als alle anderen Konkurrenten am Markt. Viel gehaltvoller und abwechslungsreicher würde es die verschiedensten Geschmäcker befriedigen und vor allem eine revolutionäre Geschmacksexplosion sondergleichen verursachen und allein optisch schon ein Augenschmaus sein. Letztlich aber saßen doch seit Jahren alle Spieler mit den gleichen langen Gesichtern und leeren Mägen vor der immer gleichen Fertigkost.

Heerrrrreinspaziert... hier werden alle Träume wahr... und eben auch die Albträume
Heerrrrreinspaziert... hier werden alle Träume wahr... und eben auch die Albträume

Dies lag natürlich auch daran, dass die bei Blizzard so gut funktionierenden Prinzipien quasi als Standards ins Genre einzogen und nun stur überall wiedergekäut werden. Machen Sie mal einer Marketing-Abteilung oder einer Gruppe von Investoren klar, dass Sie einen anderen Weg gehen wollen, ein anderes Feature aufbauen wollen als bei ->World of Warcraft – sollte es Ihnen gelingen, dann versuchen Sie doch als nächstes dem Leprechaun am Ende des Regenbogens seinen Topf voll Gold abzuschwatzen.



Hinter den Grenzen der Realität liegt eine verborgene Welt - The Secret World (via Gamestar.de)

Nun, einen solchen Topf hatten die Entwickler von ->FunCom ja glücklicherweise durch ihre Erfolge im MMO-Markt und bei Adventures selbst gut gefüllt. Mit dem Geld finanzieren sie jetzt ein Projekt, dass das Zeug dazu hat, das Genre der MMOs gründlich über den Haufen zu werfen. Nicht mit besonders ausgefallenem Gameplay, sondern aufgrund der dichten Handlung, in die der Spieler verwoben wird. Jeder soll eine Vielzahl detailreicher Geschichten erleben, die in einer Welt von Mythen und Legenden für jeden Geschmack etwas bieten. Zudem sollen die globalen Ereignisse so komplex erzählt werden, dass das Durchspielen nur aufseiten einer Fraktion nicht ausreichen wird, alle Geheimnisse zu ergründen. Dies alles klingt nach einem sättigenden Menü für alle Story-Feinschmecker, für die bisherige MMOs viel zu wenig Augenmerk auf die Geschichte(n) gelegt haben.

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