KOMMENTAR: Apocalypse, How?

Plant Killspace Entertainment eine Versoftung von „Apocalypse Now“

Frei adaptierte Francis Ford Coppola 1979 den 80 Jahre zuvor geschaffenen Roman „Herz der Finsternis„, der eigentlich von den Grausamkeiten des Kolonialismus handelte, auf die unheilvolle Verwicklung der Amerikaner in den Vietnamkrieg. Damit errichtete er einen bis heute nicht übertroffenen Maßstab für Anti-Kriegs-Filme. Marlon Brando spielte, wenn nicht gar „lebte“, die Rolle des Colonel Kurtz, der sich von der amerikanischen Armee abwandte, um jenseits der Grenze im kambodschanischen Dschungel sein eigenes Schreckensreich zu errichten.

Tja, Colonel Kurtz, nicht nur Sie fassen sich an den Kopf.
Tja, Colonel Kurtz, da fasst man sich doch an den Kopf...

Als die US-Armee ein Team entsendet, um Colonel Kurtz zu liquidieren, stolpert dieses Sammelsurium aus unterschiedlichsten Charakteren durch ein grausames, sinnentleertes, willkürliches Kriegsgebiet, das sie direkt in die Tiefe der menschlichen Abgründe führt. Auch Captain Willard, der Leiter des ausgeschickten Exekutionstrupps, fällt schließlich beinahe in seine  eigenen Abgründe, als sich nach dem Tode von Kurtz dessen ehemalige Untertanen nun ihm zu Füßen legen. Die Verfilmung ist ein mitreißendes und gleichzeitig abstoßendes Portrait unseres inneren Selbst – ein zeitloser Stoff.

Wie der Gaming-Blog von ->Wired vermutet, könnte ein neuer Spieleentwickler mit dem Namen ->Killspace Entertainment zur  Zeit an einer Spielfassung des Filmklassikers „Apocalypse Now“ arbeiten. Für die Versoftung des Streifens spricht, dass unter dieser Firma die Domain ->apocalypsenowgame.com angemeldet wurde. Noch ist dort nur ein Platzhalter zu finden, es steht jedoch zu befürchten, dass es dabei nicht bleiben wird…

Veröffentlicht wurde dies auf der Seite ->Superannuation. Deren Autor hatte die Informationen zur Domain ausgelesen und kommentierte: „I have a feeling this is not a good idea.“ Allerdings hat sich seitdem der Registrant der oben genannten Webadresse verändert, handelt es sich doch nicht mehr um Douglas Markland. Nun zeigt sich dort Matthew Cohen. Während oben genannte Domain auf Killspace Inc. in Drums, Pennsylvania, zugelassen ist, ist unter dem gleichen Namen und der gleichen Firma für die Domain ->warisnotagame.net allerdings ein Standort in Calabas, Californien, eingetragen. Auch auf dieser Webseite hat sich ebenfalls seit Januar nichts weiter getan.

Wie Wired in Erfahrung gebracht hat, konnte Killspace für die Entwicklung vor allem Teammitglieder aus anderen Studios im Großraum Los Angeles verpflichten, so zum Beispiel von Obsidian (Alpha Protocol / Star Wars: Knights of the Old Republic) und dem kürzlich von Electronic Arts eingestampften Studio Pandemic (Mercenaries 2 / Saboteur).

Firmenname und Logo: erste Indizien für die Tendenz des Produkts?
Firmenname und Logo: erste Indizien für die Tendenz des Produkts?

Natürlich muss man sich in Anlehnung an den Kommentar auf der Seite Superannuation die Frage stellen, ob man einen solchen Stoff versoften sollte. Natürlich darf man ihn in KEIMLINGs Augen für ein Game verwenden, dies ist nicht die Frage. Ist es sinnvoll diese Vorlage zu verwenden, wenn man Film und Buch gerecht werden will, müsste sie eigentlich lauten.

Ist ein Videospiel einer solchen Komplexität an Hintergründen, der differenzierten Darstellung von Kriegsgräueln und einer ruhigen einfühlsamen Sensibilisierung für dunkle Seiten der menschlichen Psyche überhaupt gewachsen? Grundsätzlich hat KEIMLING keine Bedenken bei der innovativen Verwendung klassischer Stoffe in diesem neuen narrativen Medium, wie zum Beispiel bei ->Dante’s Inferno. Dem Spiel lag die Göttliche Komödie  von Dante Alighieri zugrunde. Allerdings zeigte sich hier, dass sich die Entwickler bislang keineswegs mit der nötigen Ernsthaftigkeit der historischen Stoffe annehmen. KEIMLING berichtete dazu in ->NEWS: Höllisches Spielprinzip und ->NEWS: Go to Hell

Die Frage ist dennoch weniger, ob sich klassische Stoffe grundsätzlich eignen, richtig gemacht, hätte auch obiges Beispiel sicherlich sehr lehrreich und dennoch unterhaltsam werden können. So wurde daraus nur ein seichtes, noch nicht einmal herausragendes Actionspiel mit fragwürdigen moralischen Ereignissen wie der monotonen Abschlachtung von dämonischen Babys – kein Meilenstein.

Kann man aber ein ANTI-Kriegsspiel überzeugend inszenieren? KEIMLING hat große Bedenken, denn ein Buch und ein Film lässt sich durch Autor und Regisseur im Erzähltempo wesentlich besser steuern. Spiele sind nunmal vom Einfluss der Spielenden abhängig, und das ist ja gerade der Vorteil dieses Mediums. Will man aber Beklemmung zum Beispiel auf einer Botsfahrt durch den Dschungel erzeugen, so lässt man es im Film langsam vor sich hin tuckern und die Schauspieler nervös in das Blätterwerk blicken. Die Subjektivität von Zeit bewusst einzusetzen, gelingt dem Medium Film ohne Frage. Im Spiel aber würden die meisten Spieler wohl einfach Gas geben, um diese langatmige Passage schnell hinter sich zu lassen.

Neben dem Faktor Zeit spielt auch die Wahl der Perspektive eine wichtige Rolle: Im Film existiert die berühmte Szene eines Angriffes auf ein Dorf, während Soldaten surfen. Als übergeordneter, beobachtender Zuschauer entwickelt sich ein bedrückendes Gefühl für die Absurdität des Gesamtbildes, was deutlich schwerer fallen dürfte, wenn man selbst mit dem Finger am Maus-Abzug durch das Dorf eilt.

Glaubwürdig ein Game gegen den Krieg mit Spielern als Handelnden in diesem Krieg zu inszenieren, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Und selbst wenn es gelänge, wer würde sich ein solches Spiel kaufen? Jemand, der einfach nur ballern will, ließe sich nicht von einem Spiel mit schlechtem Gewissen beeindrucken – im Zweifel greift er halt zu einem anderen der zahlreichen beliebigen 08/15-Shooter in den Regalen. Menschen, die sensibler dem Krieg gegenüber stehen, könnten den digitalen Abzugsfinger in einem solchen Setting nicht krümmen. Sie würden zu Akteuren in einem Umfeld aus Kriegsverbrechen. Damit wird sich wohl der potentielle Käuferkreis deutlich schmälern.

Es dürfte bei diesem Stoff abzusehen sein, dass sich hier ein Entwickler kräftig überhebt. Der einzige Eindruck, den das Spiel hinterlassen dürfte, wird wohl ein zynischer sein. Da dürfte sich angesichts der Vorlage nicht nur Colonel Kurtz an den Kopf fassen.

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