RETRO: Pimp my flight

Ascaron belebte mit „Dark Star One“ das Weltraumgenre

Die neunziger Jahren  waren ein Eldorado für Weltraumpioniere. Nostalgiker denken an Titel wie „Elite“ als Urvater dieses Genres zurück. Narrative Perlen wie die „Privateer“- Teile  kommen in den Sinn. Mit Wehmut gedenkt man auch dem Schicksal der „Wing Commander“-Reihe oder den „Freespace“-Spielen. Doch der Reiz dieser Spiele nahm irgendwann ab; auch wenn viel darüber geschrieben wurde, warum dieses Genre dahinstagnierte, ganz befriedigend konnte das Siechtum nie erklärt werden.

Reanimation eines Genres
Reanimation eines Genres

Neben ->Freelancer von 2003, dem Microsoft trotz des großen Erfolges in Deutschland einen Nachfolger hartnäckig verweigerte, erschien in den letzten Jahren nur noch ein ernstzunehmender Vertreter dieser Spielegattung. Ascarons grafisches Weltraumspektakel „Dark Star One“ erzählte 2006 eine interessant inszenierte, und doch wenig innovative Geschichte. Das entscheidende Pfund, mit dem dieses Spiel wucherte, war jedoch das titelgebende Raumschiff.

Etwa zur Hälfte aufgemotzt
Etwa zur Hälfte aufgemotzt

Dessen Bewaffnung, Fähigkeiten und technische Ausrüstung konnten die Spieler wie einen Charakter in Rollenspielen verändern und formen. Hatte man in früheren Spielen gleich das ganze Schiff ersetzt, um neuen Herausforderungen entgegenzutreten, so stärkte ein Spieler nun das eigene Schiff, dessen Modifikationen deutlich von außen sichtbar waren. Neben den im Genre üblichen Gegenständen für die Ausrüstung oder Waffensystemen verfügte das Schiff auch noch über ein besonderes prototypisches System, das Alien-Artefakte nutzte. Diese waren überall im Weltraum in verschiedenen Systemen zu finden oder wurden als Belohnung für erfolgreiche Einsätze erhalten. Mit der Kraft dieser Artefakte schuf der Spieler ein Spektrum an besonderen Fähigkeiten für die „Dark Star One“, die ganz ähnlich wie bei einem Talentsystem in Rollenspielen vorrübergehend für Waffenverstärkung oder widerstandsfähigere Schilde sorgten. Besondere Fähigkeiten wie die  Einflussnahme auf die Antriebe feindlicher Schiffe oder den Einsatz eines gezielten Strahlenbündels um die Zeit zu manipulieren, erlaubten ein ungewohntes Pilotengefühl.

Allerdings litt „Dark Star One“ auch unter ein paar entscheidenden Missgriffen. Das Magazin „Gamestar“ schrieb anlässlich der Ascaron-Pleite von 2009 , die miesen Verkaufszahlen von Ascarons Weltraumspiel hätten den endgültigen Beweis dafür geliefert, dass dieses Genre niemand mehr kaufen wolle („Die Akte Ascaron“, Ausgabe 09/2009, S. 116-120; hier S. 116 und 119). Diese Einschätzung ist höchstens eine Halbwahrheit, schreckten doch Probleme mit dem Game-Design, der Erzählung und der Technik Kunden ab. Keineswegs war das Spiel also „durchdacht und tadellos umgesetzt“, wie der stellvertretende Chefredakteur Christian Schmidt im Magazin es wertete…

Mit dem Vakuum füllt man keine Regale

Zumindest im Offline-Bereich gelten die einst so verbreiteten Weltraumspiele als Ladenhüter. Gegenwärtig bestehen allerdings zwei nennenswerte MMOGs erfolgreich, die sich in ähnlicher Weise der endlosen Freiheit des Weltraumes bedienen:  -> Jumpgate und -> Eve Online haben sich jedoch wegen ihrer komplexen Spielmechanik und Unzulänglichkeiten in der Benutzerführung nicht in der Masse durchsetzen können. Ein Nachfolger zu Jumpgate, der bei –>Netdevil entwickelt wird, verschiebt sich immer weiter, hätte sicherlich wegen des schnellen Gameplays und großer Schlachten das Zeug zu einem würdigen Nachfolger für das Genre. Eve Online hat hingegen zwar bezüglich der Benutzerfreundlichkeit Boden gut gemacht, bleibt jedoch für die meisten Spieler wohl zu langatmig. Es enthält schlicht zu viel Leerlauf, um als direkter Erbe der Weltraumgattung gelten zu können.

Es gibt viel zu bereden - Mass Effect
Es gibt viel zu bereden - Mass Effect

Wer jedoch vorwiegend Freude an Spielen hat, die ihren Schwerpunkt auf Erlebnisse für Einzelspieler legen, der war auch in der jüngeren Vergangenheit nicht verloren im Weltraum. Themen, die zwischen den Sternen angesiedelt sind, sind also keineswegs pauschal überholt. So hat die -> Halo-Reihe bewiesen, dass spannende, schnelle Gefechte mit überzeugender Handlung auch heute noch ihren Platz im All haben. Allerdings bewegen sich heutige Spieler in ihren Einsätzen mehr auf festem Boden. Zwischen den Einsätzen transportieren meist Zwischensequenzen die Spieler durch den luftleeren Raum. Bei dem wunderbar erzählten, meisterhaft inszenierten, aber leider von Sorgen mit dem Kopierschutz geplagten  -> Mass Effect entwarf der Entwickler -> Bioware ein lebhaftes, intrigenreiches Galaktisches Imperium, in dem die Menschheit noch nicht einen führenden Platz einnahm. Der vielversprechendeNachfolger, -> Mass Effect 2, ist mittlerweile in Arbeit. Gemäß dem überzeugenden Mix aus Taktik-Shooter und Rollenspiel überwogen dort Erkundungen der Umwelt und zahlreiche, filmisch geschnittene sowie gut vertonte Gespräche.

Vermutlich ist also das Setting des Weltraumes nicht einfach aufgebraucht, im Zuge der technischen und besonders grafischen Verbesserungen legen Spieler letztlich jedoch viel mehr Wert auf interessant gestaltete Außenareale und planetare Landschaften. Die Zeiten sind also vorbei, in denen sich Spieler mit dem unterkühlten Vakuum abfanden, weil es technisch nicht anders möglich war. Heute zählen die Settings in lebendigen Welten, wie sie zum Beispiel Mass Effect ins Leben ruft. Allerdings schließt diese Erkenntnis auf keinen Fall aus, dass Spieler weiterhin gerne für Missionen im Weltall bereit stünden, wenn sie nur mit vernünftigen Erlebnissen auf den Planeten verbunden wären. Große Unterschiede gibt es zwischen der Spielmechanik eines Ego- oder Taktikshooters und einem Weltraumactionspiel jedenfalls nicht.

Suche nach einer Kuschelecke

Insofern wählte „Dark Star One“ schon den richtigen Ansatz, da Teile der Handlung im Rahmen von Missionen auf Planeten oder Raumstationen führten. Der Versuch von Ascaron mit diesem Produkt in eine Nische des Spieleangebots einzusteigen, war daher durchaus nachvollziehbar. Die Handlung war witzig präsentiert, glänzte mit interessanten Erlebnissen und lebte von den Gesprächen zwischen der Hauptfigur und seiner weiblichen Begleiterin. Alle Charaktere der Haupthandlung waren durchweg gut designed und liebevoll inszeniert. Eigentlich gute Voraussetzungen. Letztlich produzierte man daher auch nicht „am Markt vorbei“, wie Christian Schmidt sich in der Gamestar äußerte. Ascaron ließ an anderen Punkten entscheidende Fehler zu.

Kayron und Eona - ein starkes Team
Kayron und Eona - ein starkes Team

Für viele potentielle Spieler endete die Euphorie schon weit vor der Installation – bei dem Blick auf die Anforderungen an die Rechner. Zwar bot das Spiel eine bisher nie dagewesene Grafikpracht im Weltraum, durch die ausgefallene gestaltete Planetensysteme magische Ansichten lieferten. Allerdings hatte Ascaron bei den offiziellen empfohlenen Systemanforderungen etwas tief gestapelt. Um das Spiel in eineransehnlichen Grafik durchzuspielen, wurde in der Praxis ein für damalige Verhältnisse überdurchschnittliches System benötigt. Viele von den alten Veteranen des Genres blieben damit außen vor oder hätten aufrüsten müssen – „Dark Star One“ animierte offenbar nicht genügend Spieler zu diesem Schritt.

Wahrscheinlich hatte sich auch schlicht zu schnell herumgesprochen, dass abgesehen von der hervorragend und filmisch inszenierten Haupthandlung viele Spielelemente einfach nicht zum langfristigen Spielvergnügen genügten. Leider waren die Stationen innerhalb eines Volkes der Galaxis immer gleich anzusehen, Forschungsstationen konnten nur im Rahmen der Haupthandlung angeflogen werden. Obwohl die Idee mit den Artefakten zu Entdeckungsreisen animierte, waren viele der Sternsysteme einfach zu leer, Aufträge und Kämpfe gegen Piraten verliefen immer nach dem gleichen Muster.

Auch das fundierte Handelssystem im Hintergrund des Spieles, das  nach Aussage des Entwicklers Daniel Dumont aus den Wirtschaftssimulationen es Hauses Ascaron übernommen wurde (z.B. Patrizier), war schlicht überflüssig. Handelsflüge waren wegen des Containersystems viel zu unpraktisch, und sie brachten überdies im Vergleich zu Kampfeinsätzen auch viel zu wenig Ertrag. Damit fiel der beliebte Beruf des Händlers einfach fort. Auch als Pirat konnte man sich nicht wirklich verdingen. Das Programm bewertete zwar den Ruf des Spielers , aber Missverhalten blieb folgenlos. Zu schnell wurde der Status zurückgesetzt.

Hatte man irgendwann entdeckt, dass abgeschossene Piraten schwere Waffen des Geheimdienstes als Belohnung hinterließen, wurde das Spiel zudem viel zu einfach. Spieler, die sich gezielt mit diesen Waffen ausrüsteten, mussten keine Gefahr im Weltall mehr scheuen. Die Aufträge gerieten zur Schießbude, zumal man mit dem Kampf gegen Piraten obendrein viel zu viel Geld verdienen konnte. Schon bald quoll das Konto von automatisch überwiesenen Kopfgeldern über – verschenkter spielerischer Anspruch.

Lediglich in Sidequests forderte der Schwierigkeitsgrad wie in der Haupthandlung, denn dort bekam es der Spieler auch mit größeren Pötten der Militärs oder anderer Organisationen zu tun, die wesentlich größere Feuerkraft ins Feld führten. Dort lebte das Spiel deutlich auf und die Motivation kehrte zurück. Leider lieferte jedes Sternensystem immer nur einen Sidquest, was oft eine zermürbende Suche innerhalb eines Sternenclusters zur Folge hatte. Am Ende schloss zudem die hauptsächliche Handlung urplötzlich und unbefriedigend, als hätte Ascaron die Finanzierung abrupt abgebrochen.

Ascaron hat mit „Dark Star One“ vieles richtig gemacht, auch indem ein Genre bedient wurde, dass eine Nische ist. Die vielen anderen Defizite des Spieles jedoch, vergällten den Spielspaß entscheidend. Dennoch belebten die Entwickler das Weltraumgenre mit der innovativen Idee eines Rollenspiel-Raumschiffes, dessen Veränderungen für den Spieler auch äußerlich am Rumpf sichtbar wurden. Leider trägt eine solche Innovation natürlich nicht durch ein ganzes Spiel, wenn der Rest eher unterdurchschnittlich funktioniert. Wie im echten Leben ein gepimptes Auto ist auch ein aufgemotztes Raumschiff für ein Staunen gut, nicht aber für abendfüllende Erlebnisse…

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