NEWS: Germany’s Next Ship Model

Für Star Citizen sucht eine Casting Show das Design neuer Raumschifftypen

Wissen Sie, weshalb ich kaum mehr fernsehe? Abgesehen von meiner forschungsbedingt angelernten, ständigen Unrast, die interaktive Videospiele besser bedienen als die bräsige Hockerei vor der Glotze, kann man blind irgendeinen Kanal auf der Fernbedienung tippen und landet in einer anspruchslosen Castingshow. Da suchen in wachsender Luftfeuchtigkeit medienrollige Tussis nach dem Millionär ihres … oh, pardon… der Liebe ihres Lebens, Rach und Rosin schieben sich Portionslöffel hinter die Kiemen, Einkaufsköniginnen lassen ihren Kleidungsstil konformisieren und überall quäken irgendwelche Gesangstalente die Hirnwellen weich.

Meist läuft ein solcher TV-Abend mit meiner Frau dann darauf hinaus, dass irgendein Kanal für zehn Minuten an ist, ich dann noch unruhiger werde und spätestens nach weiteren fünf Minuten aufstehe, mich verabschiede und bei ->Battlefield 4 in den Panzer flüchte. Wenn mir vor ein paar Tagen jemand gesagt hätte, dass ich selbst interessiert eine Castingshow verfolgen würde, hätte ich vor Lachen Schnappatmung bekommen. Und nun hocke ich vor Youtube und schaue mir den Wettstreit von 24 Designteams aus der ganzen Welt an, wie sie sich darum schlagen, für Entwicklerlegende Chris Roberts Raumschiffe und Waffen zu modellieren. Verrückt.



In einem weltweiten Casting qualifizierten sich 24 Teams, um letztlich ein ganzes Raumschiff für das Spiel Star Citizen zu entwickeln. Nun folgt die Endrunde... (The Next Great Starship Episode 1.1 / Kanal Roberts Space Industries via Youtube)

Bislang haben die Kandidaten bereits in drei Folgen ihre Waffenmodelle für die Weltraumsimulation ->Star Citizen präsentieren können. Dafür mussten sie diese nicht nur gestalten, texturieren, animieren und ausleuchten, die Waffen sollten gleich auch feuerbereit in das Entwicklerkit der ->CryEngine integriert werden. Der Grund dafür ist, dass hochdetaillierte Konzeptstudien in einer Renderingsoftware natürlich hervorragend aussehen, sie müssen jedoch auch unter den Bedingungen eines Viedospiels bestehen, in dem Grenzen des Detailgrads und des Umfangs von Animationen einzuhalten sind. Mit den Kandidaten der Endausscheidung und ihren Einsendungen setzen sich die Lead-Designer von ->Roberts Space Industries bzw. ->Cloud Imperium in den Videos ausführlich auseinander, wodurch auch interessante Einblicke in die Produktionsprozesse eines Videospiels offenbart werden.

Neben den Waffenkonzepten an sich ist sehr beeindruckend, wie unterschiedlich die Grundaufgabe gelöst wurde und wie international die Teams zusammengesetzt sind. Sehr positiv hat mich dabei überrascht, dass mit Vision|Cut auch aus meiner Heimatstadt Hamburg ein Team einen Beitrag beisteuert, der im Feld sehr weit vorn liegt…

Chris Roberts, der in den Neunziger Jahren mit der Reihe ->Wing Commander und dem Weltraumhandelserlebnis ->Privateer eine Legende wurde, war wegen der damaligen, technischen Beschränkungen seiner Traumwelten – wie er immer betont – als Producer in die Filmbranche gewechselt. Obwohl gerade von Publishern ständig behauptet wurde, dass für Weltraumsimulationen kein Platz mehr im Markt sei, konnte Roberts in einem Crowd-Funding-Coup einen Entwicklungsetat von weit mehr als 30 Mio. $ einwerben. Damit kann er nun endlich das Spiel gestalten, dass er immer entwickeln wollte.

Unterstützung hat er sich dabei auch bei der Community geholt, deren enormes Interesse zu einem langwierigen Auswahlprozess und letztlich 24 Kandidaten für die Endausscheidung führte. Wegen des großen Andrangs hat sich Roberts für das Format der Castingshow entschieden, um aus den letzten guten Teams die wirklich großartigen zu filtern. Eine Bordwaffe zu entwerfen, ist dabei nur ein erster Schritt, nach und nach werden die Teams mehr und mehr Schiffsteile entwickeln, bis eines von ihnen die Chance erhält, ihr Modell insgesamt in die Spielwelt einzufügen. Eine der Vorgaben durch die Entwickler war, dass dessen Technologie sowohl menschlich wirken als auch klare Anleihen fremdartiger Alienvölker zeigen sollte. Es ist faszinierend, wie unterschiedlich und originell die Einsender diese Auflage in ihr Projekt integriert haben.

Die Sendung wirkte durch die Jury anfangs etwas hölzern, taut aber mit den weiteren Folgen zunehmend auf. Auf den Couchen der Jury nehmen neben der als Moderatorin etwas blassen Sandi Gardiner der Chef Chris Roberts, drei seiner Designer – namentlich Art Director Mark Skelton, Chief Visual Officer Christopher Olivia und Lead Ship Modeler Chris Smith – sowie der Kontaktmann zu ->Crytek, Sean Tracy, der zur Implementierung der Cryengine berät. Dieses mächtige Gamegerüst des vor allem für ->Crysis bekannten, deutschen Edelentwicklers wird ->Star Citizen befeuern, weshalb es von Anfang an wichtig ist, die Realisierbarkeit der Entwürfe unter den realen Bedingungen in dieser speziellen Spielumgebung zu prüfen. Bei einem Projekt dieser Kapitalflughöhe ist aber auch damit zu rechnen, dass Anforderungen der Entwickler und ihrer Entwürfe auch durch Crytek in die Engine eingebaut werden könnten. Der Entwicklungsprozess bleibt also für alle Beteiligten spannend.

Das Casting ist für alle, die an den Arbeitsprozessen der Gamesbranche interessiert sind, außerordentlich informativ, weil es den kreativen Prozess der Designfindung bei einem Entwicklerstudio nachvollziehbar abbildet. So erhalten Kandidaten wie Zuschauer Einblicke in die Vorstellungen der Entwickler darüber, in welche Richtung sich ihrer Ansicht nach das Design des Schiffes relativ zum Gesamtdesign des Spiels entwickeln sollte. Es wird deutlich, wie sehr Entscheidungen von den persönlichen Erfahrungen aus unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern abhängen, wie ästhetische Wünsche mit technischen Realitäten kollidieren und wie sehr damit auch diffuse Geschmäcker der Lead Designer ein Spiel beeinflussen.



Das Hamburger Team Vision|Cut liefert einen der besten und originellsten Entwürfe im Wettbewerb, dessen Design auf ein ebenso originelles Schiff fiebern lässt. (Vision|Cut Bewerbung / Kanal Niklas1723 via Youtube)

Das zweiköpfige Hamburger Team Vision|Cut hat offenbar gute Chancen, mit ihrer „Windfire Ex“ im vorderen Feld mitzumischen. Das Design hat besonders bei der Front des Geschützes sehr viel Lob erhalten, der hintere Abschnitt gefiel den Lead Entwicklern weniger. Daran sollte das Team noch schrauben, wenn es in den nächsten Runden noch härterer Konkurrenz gegenübersteht. Es sind jetzt nur noch 15 Teams im Rennen. Ich würde mich für die beiden Hamburger jedenfalls auch wegen des Designs sehr freuen, wenn sie sich ihren Traum vom eigenen Raumschiff erfüllen dürften. Denn, abgesehen vom Lokalkolorit, halte auch ich ihren Entwurf für einen der besten im Rennen. Die nächsten Casting-Runden können auf Youtube unter dem ->Kanal Roberts Space Industries weiter verfolgt werden, bis am Ende hoffentlich „Germany’s Next Ship Model“ siegt.

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