REZ: Aus Scherben einer Karaffe eine Vase bauen (Teil 3)

Carl Heinze entwickelt erstmals ein begründetes Modell, um historische Videospiele zu diskutieren – im Detail blendet er sich damit jedoch selbst


>>>Teil 1: Heinzes Modell…
>>>Teil 2: … und Heinzes Schlüsse
>>>Teil 3: Die Folgen von Heinzes Thesen und wie sie zu bewerten sind

Mit seiner Dissertation hat Carl Heinze ein Modell dafür vorgelegt, was historische Videospiele sind und wie sie aus Sicht der Fachwissenschaft zu diskutieren sind. Nachdem ich in Teil 1 dieser Reihe sein Modell erläuterte und in Teil 2 ausführlich die Argumentation und Schlussfolgerungen zusammenfasste, möchte ich in Teil 3 nun  diskutieren, welche Folgen Heinzes Modell für seine Untersuchungen hat und welche Kritikpunkte anzubringen sind.

Modell, abgeschminkt

In den zurückliegenden beiden Beiträgen habe ich sehr ausführlich das Modell vorgestellt, wie Videospiele und insbesondere historische Varianten aus der Sicht von Carl Heinze zu verstehen sind. Hierfür habe ich nicht ohne Grund auch einen erheblichen Teil des Textes darauf verwendet, seine Grundannahmen und Einflüsse darzustellen. Sie prägen nicht nur, welche Titel Heinze als historische Spiele im analytischen Teil seiner Arbeit bespricht, sondern auch, wie er sie bespricht. Deshalb war es mir ab einem gewissen Zeitpunkt der Lektüre auch wichtig, meine Rezension in diese drei Abschnitte zu unterteilen und meine persönliche Einschätzung dazu in diesem letzten Beitrag zu konzentrieren. Dies geschieht in der Hoffnung, dass die Leser nicht bereits zuvor durch eingestreute Wertungstendenzen beeinflusst werden. Ich hoffe, dass mir dies gelungen ist.

Denn prinzipiell bin ich sehr dankbar dafür, dass Heinze erstmals versucht, ein würdiges allgemeines Analysemodell zur Diskussion zu stellen. Umso mehr, als dass es sich traut, die theoretischen und methodischen Chancen und Beschränkungen aus den Grundeigenschaften des Mediums und der Geschichtskultur abzuleiten und zu vereinen. Damit geht er weit über eine verbreitete, unreflektierte Phänomenologie hinaus.

Das ist mir nicht zuletzt deswegen wichtig hervorzuheben, weil ich selbst in meiner Dissertation den Blick fort von deskriptiven, wenige Einzelfälle betrachtenden geschichtswissenschaftlichen Darstellungen hin zu grundlegenden Methoden, Prozessen und Eigenschaften von Videospielen lenke – in meinem Fall an den von Heinze ausgeschlossenen Online-Rollenspielen (MMORPGs) und Virtuellen Welten (S. 66-73, bes. 73). Es ist mir also ein elementares Anliegen dieser Rezension, dass sein Modell differenziert behandelt wird, um ihm seinen angemessenen Platz im geschichtswissenschaftlichen Theorie- und Methodendiskurs zu Videospielen einzuräumen

Dies bedeutet natürlich nicht, dass es an Heinzes Modell und seinen Grundannahmen nichts auszusetzen gäbe. Diese Rezension ist schließlich ein Ausweis davon. Seine Aufbauschritte enthalten aus meiner Sicht trotz solider Grundannahmen einige Denkfehler. Zudem werden die drei Bestandteile seines Modells – >Computer<, >Mittelalter< und >Spiele< – nicht gänzlich überzeugend verknüpft. Letztlich ergeben sich dadurch Konsequenzen, die ihm einen sehr speziellen Blick auf seinen Analyseteil und die dort diskutierten Beispiele verleihen. Dieser erscheint mir nicht immer vorteilhaft.

Diese Vorwürfe will ich nun aufschlüsseln, allerdings ist klar, dass ein Blogbeitrag wie dieser auch nicht alle problematischen Details und alle meine Überlegungen dazu aufnehmen kann. Dafür ist hier schlicht nicht der Platz. Ich werde mich daher auf wesentliche, systematische Kritikpunkte beschränken. Daher kann ich alle Leser nur anregen, Heinzes Buch den Fachbibliotheken zur Beschaffung vorzuschlagen und sich selbst ein Wochenende intensiv durch seine Argumentation und seine Fussnoten zu arbeiten.

Und zuletzt: Zum Ende dieses Beitrags gilt es, das in der Überschrift benutzte Bild aufzulösen: Was hat Heinzes Modell damit zu tun, wie man aus den Scherben einer Karaffe eine Vase konstruiert? Ich werde das beantworten… REZ: Aus Scherben einer Karaffe eine Vase bauen (Teil 3) weiterlesen